Abstiegsangst: Zur sportlichen Misere des Hamburger SV: Vier Oberligatrainer und ihre Meinungen

Der Hamburger Sportverein taumelt in der Fußball-Bundesliga dem Abstieg entgegen. Nach zwei erschreckend schwachen Auftritten zum Rückrundenstart steht der HSV erstmals in dieser Saison auf einem direkten Abstiegsplatz. Die Angst vor dem drohenden Gang in die 2. Liga scheint die Verantwortlichen zu lähmen. Wer verantwortlich ist für die sportliche Misere, darüber streiten sich die Experten - Trainer Bert van Marwijk, Manager Oliver Kreuzer, die Mannschaft oder doch die Gesamtsituation des Vereins? Wir haben die vier Oberligatrainer aus dem Heimatgebiet nach ihrer Meinung gefragt. Ist der HSV überhaupt noch zu retten?

Jan Schönteich (TuS Dassendorf): "Natürlich ist der HSV solange noch zu retten, wie es rechnerisch möglich ist. Die aktuelle Situation an Bert van Marwijk festzumachen, ist aber zu einfach. Beim HSV läuft seit Jahren vieles falsch. Eines der größten Probleme im Verein ist die fehlende Kontinuität. Daher ist es auch alternativlos, an van Marwijk und Sportchef Oliver Kreuzer festzuhalten. Ich halte van Marwijk auch für einen guten Trainer und die Mannschaft für qualitativ so gut, den Abstieg zu vermeiden. Irgendetwas hindert sie aber daran, ihre Qualität abzurufen."

Torsten Henke (SV Curslack-Neuengamme): "Wenn man die Leistungen sieht, hat man wenig Anlass zur Hoffnung. So kann es jedenfalls nicht weitergehen. Wenn der HSV die Klasse halten möchte, muss die Reißleine gezogen werden und Trainer und Sportlicher Leiter müssen weg. Ich halte van Marwijk zwar für einen guten Trainer, aber mein Gefühl sagt mir, mit diesem Trainer geht's in die Zweite Liga, mit Kreuzer sowieso. Was in diesem Winter wieder für Fehler gemacht wurden! Wie kann man Stürmer Artjoms Rudnevs an Hannover abgegeben, wenn man weiß, dass Pierre-Michel Lasogga verletzungsanfällig ist? Der HSV ist momentan die schlechteste Mannschaft der Liga, und wenn man so viele Fehler macht wie der HSV in den vergangenen Jahren, dann ist man irgendwann dran mit dem Abstieg."

Olaf Poschmann (SC Vier- und Marschlande): "Ich würde den Verein noch nicht abschreiben. Die Situation ist schlecht, aber nicht aussichtslos. Die Spieler müssen begreifen, dass es nur über das 'Wir' geht. Sie müssen als Mannschaft funktionieren und sich richtig wehren. Die Mannschaft ist viel zu lieb. Es gibt keinen, der mal die Ärmel hochkrempelt. Das ist eine Charakterfrage, und Charakter kann man nicht trainieren. Ein Trainerwechsel ist auch nicht die Lösung, weil man den Spielern dann wieder ein Alibi gibt. Die Spieler wurden zu viel in Watte gepackt und müssen jetzt in die Pflicht genommen werden."

Stefan Kohfahl (Oststeinbeker SV): "Der Verein schlittert dem Abstieg entgegen, aber jetzt einen Feuerwehrmann zu holen, wäre fatal. Der Trainer muss jetzt klar aufzeigen, was er ändern will. Es braucht einen genauen Plan. Solche Begriffe wie Glück, Zufall oder Pech müssen komplett verbannt werden. Durchhalteparolen bringen gar nichts. Vielleicht ließen sich mit einem Abstieg auch mal alle alten Zöpfe abschneiden. Es gibt viele Beispiele dafür, dass sich ein Verein erst nach einer sportlichen Pleite konsolidiert hat. Ich habe in den vergangenen Monaten viele Vereinsstrukturen kennengelernt, da hat der HSV großen Nachholbedarf."