Bergedorf (vg). Die Situation war heikel. Wenige Wochen vor der U19-Ruder-Weltmeisterschaft in Eton/Großbritannien kam der deutsche Achter beim Trainingslager in Berlin-Grünau einfach nicht auf Touren. Ausgerechnet das Flaggschiff!

Also wurde der Schlagmann durch den jungen Bergedorfer Finn Knüppel ersetzt, der mit seinen 17 Jahren gerade erst in diese Altersklasse hineingewachsen ist. Das Ergebnis war verblüffend: Hochgerechnet auf die 2000 Meter Rennstrecke war der Achter mit Knüppel rund sechs Sekunden schneller als mit seinem älteren, kräftigeren Konkurrenten. Der Bergedorfer hatte ihn buchstäblich "ausgebootet". In der neuen Besetzung fuhr der Achter bei der U19-Weltmeisterschaft in Eton auf der Olympia-Regattastrecke von London 2012 zur Bronzemedaille. Es ist der bisher größte Erfolg in der Karriere des Ruder-Talents.

"Wenn der Schlagmann lahmt, hat das ganze Boot verloren", erklärt Knüppel die besondere Verantwortung des Taktgebers in einem Achter. Seine große Stärke ist es, sich während eines Rennens völlig verausgaben zu können, alles fürs Team zu geben. Vielleicht auch deshalb, weil Erfolge für Knüppel trotz seines Talents nichts Selbstverständliches sind. "Am Rudersport reizt mich, nach jedem einzelnen Training das Gefühl zu haben, ich hab' was geschafft, ich hab' mir selbst bewiesen, dass ich irgendwas kann."

Das war in jüngeren Jahren noch anders. Egal, in welchen Sportarten sich Knüppel versuchte - Dauerlauf, Tennis, Hockey, Handball - nirgends fühlte er sich völlig akzeptiert. Bis er zum Ruder-Club Bergedorf kam. "Dort hatte ich zum ersten Mal ein richtiges Gruppengefühl", erinnert er sich. Und er stach sportlich schnell heraus. 2007 wurde er an der Eliteschule des Sports in Schwerin angenommen. Auszug von zu Hause mit dreizehneinhalb Jahren - nicht nur für ihn, sondern auch für seine Eltern eine schwierige Entscheidung. "Die ersten drei Wochen fand ich es cool", erinnert er sich, "doch dann holt einen die Realität ein, und ich hatte viele traurige Abende." Knüppel wechselte ans Christophorus-Internat in Rostock, wo schon Sportgrößen wie Carsten Jancker, Toni Kroos oder Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius zur Schule gingen. Dort fühlt er sich wohl, möchte 2013 Abitur machen und danach am liebsten Lufthansa-Pilot werden. Keine schlechte Wahl: Dass er heikle Missionen erfolgreich zu Ende bringen kann, hat Finn Knüppel ja bereits bewiesen.