Canto General

Hommage an Theodorakis in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

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Thomas Heyen
Der Konzertchor der Singakademie Niedersachsen und Musiker bei der Aufführung des „Canto General“ 2010 in Derveni in Gegenwart von Mikis Theodorakis.

Der Konzertchor der Singakademie Niedersachsen und Musiker bei der Aufführung des „Canto General“ 2010 in Derveni in Gegenwart von Mikis Theodorakis.

Foto: Uthoff / Singakademie

Singakademie Niedersachsen führt das Oratorium "Canto General" des inzwischen verstorbenen Mikis Theodorakis in Hamburg auf.

Neuengamme. Das Oratorium „Canto General“ sollte eigentlich vor gut zwei Jahren im ehemaligen Klinkerwerk auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme aufgeführt werden, doch die Pandemie verhinderte damals das Konzert. Nun soll der Termin endlich nachgeholt werden: Am Sonntag, 17. Juli, wird das Werk des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis nach Texten des chilenischen Dichters Pablo Neruda im früheren Klinkerwerk am Jean-Dolidier-Weg zur Aufführung gebracht.

Die Singakademie Niedersachsen spielt und singt – auf Spanisch – unter Leitung von Claus-Ulrich Heinke den „großen Gesang“, wie der Titel (wörtlich übersetzt: „‚Allgemeiner Gesang“) im Deutschen heißt. Verstärkt wird der Konzertchor von den Gesangssolisten Klaudia Zeiner (Alt) und Daniel Ochoa (Bass) sowie Jeung Eun Séverine Kim und Yuri Ota (Klavier), der sechs Musiker starken Gruppe Peiner Percussion (Schlagzeug) und dem russischen Instrumental-Folklore-Ensemble Lukomorje. Es spielt unter anderem die Bouzouki (Schalenhalslaute), die Domra, eine Art kleiner Balalaika, oder das Bajan (Knopfakkordeon). Der Schauspieler Rolf Becker rezitiert zwischendurch die Texte in einer deutschen Übersetzung.

Canto General: Große Dichtung von Weltrang und politisch relevant

Der „Canto General“ ästhetisiere den Schrecken nicht, sondern reflektiere ihn in angemessener Weise, sind die Aufführenden überzeugt. Sowohl der Schriftsteller als auch der Komponist haben in ihren Heimatländern Chile und Griechenland politische Unfreiheit erlebt und persönliches Leid erlitten. Deswegen spiegele ihr gemeinsames Meisterwerk „Canto General“ auf authentische Weise durch den Inhalt der bildreichen Sprache und die leidenschaftlichen musikalischen Klänge in künstlerischer Form die Sehnsucht des Menschen nach Freiheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit wider.

Nerudas Lyrik ist große Dichtung von Weltrang und gleichzeitig politisch und von hoher gesellschaftspolitischer Relevanz – auch im Hinblick auf die aktuellen Gefährdungen Europas durch radikales rechtes Gedankengut. Der Gedichtzyklus beschreibt den Kampf Lateinamerikas gegen den Kolonialismus. Neruda veröffentlichte das Werk 1950. Theodorakis vertonte zwischen 1970 und 1982 zahlreiche Verse, die zu seiner weltweiten Bekanntheit beitrugen. Das Konzert in Neuengamme sei als „eine Gratulation aus der Ferne“ zum 95. Geburtstag des Komponisten geplant gewesen, betont der Leiter der Singakademie, Claus-Ulrich Heinke: „Nun wird es eine nachrufende Hommage an einen großen Musiker, tief empfindenden Menschenfreund und unbeirrbaren Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit.“

Denn Theodorakis, der in seiner griechischen Heimat als Volksheld verehrt wird, starb am 2. September vergangenen Jahres im Alter von 96 Jahren in Athen. Neben seiner Vertonung des „Canto General“ machten ihn besonders seine Filmmusiken zu „Alexis Sorbas“ (mit Sirtaki), „Z“ und „Serpico“ weltbekannt. Theodorakis schuf mehr als 1000 Kompositionen

Die Orchester-Version hat Theodorakis persönlich autorisiert

2010 hatte die Singakademie Niedersachsen eine Konzertreise mit dem „Canto General“ nach Griechenland organisiert. Zur Vorbereitung der Reise war Heinke von Theodorakis in dessen Haus in Athen eingeladen worden, um die Partitur mit ihm durchzusprechen. Der Grieche hatte diese Version des „Canto General“-Orchesters also höchstpersönlich autorisiert. „Es wurde eine Begegnung, die für mich von unschätzbarem Wert war und die ich nie vergessen werde“, sagt Heinke.

Er habe den großen Komponisten, der im Zweiten Weltkrieg im Widerstand gegen den Nationalsozialismus kämpfte und sich auch beim anschließenden Griechischen Bürgerkrieg (1946 bis 1949) und in der Zeit der Militärdiktatur (1967 bis 1974) als Freiheitskämpfer engagierte und deshalb gefoltert wurde, als „zugewandt, warmherzig und spirituell reflektiert“ erlebt. „Beim Abschied nach dem etwa dreistündigen Besuch lud ich Mikis zum Konzert ein, das Monate später in Derveni, einem kleinen Ort auf der Peleponnes stattfand. Bis kurz vor der Aufführung war nicht sicher, ob ihm seine Gesundheit den Besuch erlauben würde. Erst kurz vor Auftritt des Chores in der überfüllten Sporthalle kam der Anruf: ,Der Meister wird gleich eintreffen.‘“

Beginn der Aufführung am 17. Juli ist um 17 Uhr. Der Eintritt kostet 24 Euro. Eintrittskarten gibt es bei der Konzertkasse Gerdes, Rothenbaumchaussee 77, Telefon 040/44 02 98. Weitere Informationen gibt es im Internet: www.singakademie-niedersachsen.de.

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