Neuallermöhe

Ehrenamt in einer Tagesstätte – ein Kindheitstraum

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Andreas Stolle (l.) und Rihan Alali vor der Tagesstätte Allermöhe am Rahel-Varnhagen-Weg.

Andreas Stolle (l.) und Rihan Alali vor der Tagesstätte Allermöhe am Rahel-Varnhagen-Weg.

Foto: Alexandra Schrader

Rihan Alali (26) ist aus Syrien geflüchtet. Warum sie große Erfüllung darin findet, sich in einer sozialen Einrichtung zu engagieren.

Neuallermöhe. In der Tagesstätte Allermöhe werden Menschen mit komplexen Behinderungen betreut: Hier ziehen sie Kerzen, setzen Holzbilderrahmen zusammen und stellen Notizbücher her – und benötigen in allem viel Unterstützung. Die kommt zum Beispiel von Rihan Alali. Vor vier Jahren ist die 26-Jährige aus Syrien nach Deutschland gekommen und studiert nun im ersten Semester Soziale Arbeit an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW).

Passend zu ihren Interessen wollte sie sich schon länger ehrenamtlich in einer sozialen Einrichtung engagieren. Seit Anfang November kommt sie nun jeden Freitag für drei Stunden in die Tagesstätte am Rahel-Varnhagen-Weg, um mit den zu Betreuenden zu spielen, ihnen zuzuhören oder einfach beisammen zu sein. Vermittelt wurde Rihan Alali von der gemeinnützigen Organisation Mitmacher, die Geflüchtete in Ehrenämter vermittelt und sie in den ersten Monaten unterstützt.

Neffe und Nichte von Rihan Alali haben ebenfalls eine Behinderung

In der Neuallermöher Einrichtung verbringen 40 Menschen mit komplexen Behinderungen ihren Tag, deren körperliche oder geistige Einschränkung so groß ist, dass sie nicht in Behindertenwerkstätten arbeiten können. „Sie haben außerdem einen sehr hohen Assistenzbedarf“, sagt Einrichtungsleiter Andreas Stolle. Trotzdem arbeiten sie hier täglich an verschiedenen Projekten: „Wir wollen zeigen, dass auch sehr schwer behinderte Klienten etwas produzieren können. Da sind die Menschen dann auch stolz drauf“, sagt Stolle.

Dass der Umgang mit den Behinderten der Studentin gefällt, wundert sie selbst nicht. „Seit der siebten Klasse ist es mein Traum, im sozialen Bereich mit Menschen zu arbeiten“, sagt Rihan Alali, deren Sohn in Bergedorf in die erste Klasse geht. Da auch ihre Nichte und ihr Neffe geistig und körperlich behindert sind, wisse sie, wie schwierig das Leben mit so einer Einschränkung für Betroffene und deren Familien sei. „Besonders frustrierend ist es, wenn man nicht versteht, was die Person einem sagen möchte. Wenn hier in der Tagesstätte jemand Zeichen macht, dann versuche ich zu begreifen, was er oder sie mir sagen möchte.“

„Manchmal wäre ich gern ein Vogel“, sagt Rihan Alali

Rihan Alali ist 2017 ihrem damaligen Mann nach Deutschland gefolgt, der bereits zuvor geflüchtet war. Das Heimatland zurückzulassen und sich hier ohne jegliche Sprachkenntnisse zu integrieren, sei nicht leicht gewesen. Sie sei dankbar, dass es Arbeit, Bildung und Sicherheit gebe. „Aber manchmal wäre ich gern ein Vogel. Ich würde gern nur für zehn Minuten nach Syrien fliegen, meine Mutter und das Grab meines im Krieg verstorbenen Zwillingsbruders und meines Vaters besuchen“, sagt die 26-Jährige.

Trotzdem kann sie sich hier in Bergedorf eine Zukunft vorstellen – denn vor allem für ihr Kind wünscht sich Rihan Alali das Beste. „Und hier im sozialen Bereich arbeiten zu können, ist wirklich toll“, sagt die junge Frau.

( ajs )