Lohbrügge. Einst herrschte auf dem Sportplatz am Binnenfeldredder hohe Verletzungsgefahr. Dann nahm Hamburg 1,02 Millionen Euro in die Hand.

Diese Rettungsmission ist nun wirklich nicht mehr nötig: Als der Schulleiter des Gymnasiums Lohbrügge, Heiko Reich, seiner Freude über den vollständig sanierten Wilhelm-Lindemann-Sportplatz gegenüber den Gästen Ausdruck verleihen möchte, schwebt ein Rettungshubschrauber auf die Anlage zu und landet an einer Ecke des Rasenplatzes. Lange Jahre wäre das ein Bild mit Symbolcharakter gewesen, schien dieser total niedergewirtschaftete Sportplatz doch nicht mehr zu retten. Inzwischen ist alles anders: Auf diesem Sportplatz macht Sport endlich wieder Spaß. Kurioserweise ist dafür sogar die Corona-Pandemie mitverantwortlich.

Ad acta gelegt sind die Zeiten, in denen am Binnenfeldredder das Gras in die staubige Laufbahn hineinwuchs, das Geläuf wiederum einer stolperfallenähnlichen Geröllwüste glich. Bestzeiten? Vergessen Sie’s! Auch Weitsprung ging eigentlich nur mit einkalkulierter Verletzungsgefahr, denn der Balken bestand nur noch aus losen Bestandteilen. Dazu wucherndes Gestrüpp überall, Risse im Kunststoffboden, auseinanderfallende Trainerbänke. Schulleiter Reich zitiert in seiner Rede nicht nur den Vergleich mit einer „Industriebrache“, sondern auch gleich noch eine Schlagzeile der bz, die er damals total zutreffend fand: „Hier wird Sport gefährlich“ hieß es im November 2018 in unserem Blatt.

Wilhelm-Lindemann-Sportplatz für 1,02 Million Euro saniert

„Da haben wir eine solche Anlage direkt vor unserer Eingangstür und konnten sie für vieles nicht nutzen“, zeigt sich Caroline Witt, Sportbereichsleiterin im GyLoh, erschüttert vom Blick zurück. Doch das ist Vergangenheit: Für 1,02 Million Euro wurde nun die einst so gefährliche Sportanlage saniert, wurden die ehemalige Tennenlaufbahn und Sportflächen rund um den Naturrasen in Kunststoff umgewandelt und alle Leichtathletikangebote erneuert und erweitert.

Die Hochsprunganlage ist top. Enok Womad (12. Jahrgang Stadtteilschule Lohbrügge) freut sich.
Die Hochsprunganlage ist top. Enok Womad (12. Jahrgang Stadtteilschule Lohbrügge) freut sich. © BGDZ | Jan Schubert

„Hochsprung und Weitsprung sind jetzt top“, freut sich etwa Lennart Rommel, der im nächsten Jahr im Sportprofil Abitur genau hier machen wird. Er und seine Klassenkameradinnen Evelin Renner und Carina Kowalczyk werden als Elftklässler zwar nicht mehr aktiv in den Genuss von Bundesjugendspielen kommen, „aber wir werden diese für unsere jüngeren Mitschüler betreuen“. Auch hier herrscht Vorfreude auf den ersten Austragungstermin Ende Mai seit dem Jahr 2016.

Erste Leichtathletik-Abiturprüfungen nach Jahren

Caroline Witt ist überglücklich. Die Lehrerin war eine, die sich lautstark über die Qualität der Anlage beschwerte. Und nun: „In der vergangenen Woche haben wir hier die ersten sechs Leichtathletik-Abiturprüfungen abgenommen. Und alle haben bestanden.“ Zuvor mussten Schüler der Stadtteilschule und des Gymnasiums Lohbrügge für ihre Prüfungen eine Odyssee durch Bergedorf ins Billtalstadion bewältigen.

Plötzlich geht am Wilhelm-Lindemann-Platz so viel mehr: Ein Basketballfeld sowie ein mit frischem Sand befüllter Beach-Volleyball-Court sind auf der Südseite des Naturrasens hinzugekommen. Auf der gegenüberliegenden Seite versucht sich die 12 f der Stadtteilschule auf der neuen Hochsprung-Anlage neben dem neuen Areal für Wurfdisziplinen, im speziellen geeignet für Speerwurf.

Alle Arbeiten innerhalb von nicht einmal fünf Monaten erledigt

Hier macht Sport wieder richtig Laune – und so kurios es klingen mag, liegt das auch an der Corona-Pandemie. Um den Sport nicht vollkommen zum Erliegen zu bringen, legten Hamburgs Finanzsenator Dr. Andreas Dressel (SPD) und seine Behörde mehrere Hilfsprogramme auf. Unter anderem „Neustart Sport II“, ein Konglomerat aus Wirtschaftstabilisierungsprogramm und Quartiersfondsmitteln. „Gewissermaßen können Sie sich als Corona-Gewinner fühlen“, ordnet der Hamburger Finanzsenator ein, der sich ebenfalls von Lohbrügges neuem Sportlertraum überzeugte.

„Ohne diese Mittel“, ist sich Bergedorfs Verwaltungschefin Cornelia Schmidt-Hoffmann sicher, „wäre es gar nicht erst gestartet.“ Baubeginn war am 27. Juni 2022, am 16. November 2022 war Übergabe. Ein wichtiger Faktor, dass alle Arbeiten vor Jahresende 2022 beendet wurden, denn „sonst wären die Mittel verfallen“, weiß Finanzsenator Dressel.

Gründet der VfL Lohbrügge nun eine neue Sparte?

„Nun haben beide Schulen eine vollfunktionsfähige Anlage“, urteilt Bergedorfs Sportstättenmanager Fred Osterhage. Und nicht nur die: Der VfL Lohbrügge ist Hauptnutzer des Naturrasens, der so geblieben ist wie er war – weil eine Umrüstung auf Kunstrasen den nicht voll ausgeschöpften Etat von 1,28 Millionen Euro wiederum gesprengt hätte. Dem VfL obliegen Pflege und Instandhaltung der nun tollen Anlagen und Umkleidehäuser. Insgesamt weit mehr als 3000 Schüler und Vereinssportler dürfen sich richtig ausleben.

Beim Anblick des attraktiven Runds kommen auch Jens Wechsel neue Ideen. „Wäre eine Möglichkeit, dass wir jetzt auch eine Leichtathletik-Abteilung gründen“, denkt der VfL-Vorsitzende mal laut nach. Seine ganz jungen Kicker wuselten bei der sportlichen Eröffnungsfeier bei einem Showmatch auf dem satten Grün herum – bis ihre Aufmerksamkeit dem landenden Hubschrauber galt. Der Notfall erwies sich übrigens als falscher Alarm, die Retter hoben nach nicht einmal zehn Minuten wieder in die Lüfte ab. Ohne Patienten.