Bergedorf. Nur zwei weitere Häuser in Hamburg schafften bisher die Zertifizierung. Was sie für Eltern und Babys bedeutet.

Sehr verträumt hört die kleine Smilla all die Lobeshymnen und Dankesreden – als ginge es sie gar nichts an. Dabei ahnt das Mädchen, das am 4. August am Glindersweg zur Welt kam, gar nicht, wie gut es ihm geht: Schließlich kam der Säugling in einem „babyfreundlichen Krankenhaus“ zur Welt. So besagt es das neue Zertifikat, von dem es jetzt drei in Hamburg gibt: Das Agaplesion Bethesda-Krankenhaus gehört nun dazu, nachdem elf Ärzte sowie 20 Hebammen und Kinderkrankenschwestern eine mehrjährige Fortbildung absolviert haben.

Die Initiative geht auf die Weltgesundheitsorganisation und das Kinderhilfswerk Unicef zurück, „schließlich lag Ende des 19. Jahrhunderts die Kindersterblichkeit bei 50 bis 60 Prozent in den Entwicklungsländern. Aber auch Industrieländer profitieren von der Erkenntnis, dass das Stillen eine gute Entwicklung und Ernährung des Kindes fördert“, erklärt Dr. Martin Neuß. Der Chefarzt der Geburtshilfe (und Vater zweier Töchter) kann sich „kaum etwas Schöneres und Intimeres als eine stillende Mutter“ vorstellen – bis ins zweite Lebensjahr hinein.

Bethesda als dritte Klinik in Hamburg zertifiziert

Genau 645 Geburten wurde im vergangenen Jahr in Bergedorf gezählt (zu 14 Prozent geplante Kaiserschnitte), im Vorjahr waren es 50 mehr. In ganz Hamburg gibt es einen Geburtenrückgang, was wohl auch an Corona liegt (aktuell gibt es übrigens wieder vier infizierte Patienten). In jedem Fall aber erhofft sich das Team von Wochenbettstation und Kreißsaal künftig mehr „kleine Kunden“ – und eine steigende Anzahl stillender Mütter – derzeit sind es 85 Prozent.

Tatsächlich sind nicht alle jungen Mütter gut vorbereitet: „Es hat ja nicht jede Eltern oder eine große Schwester, die sagen können, wie alles perfekt funktioniert“, meint die zweifache Mutter und Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann. Sie erfuhr, dass nun auch eine Still-Sprechstunde eingerichtet wurde: Etwa ab der 35. Woche können Schwangere (die vielleicht Diabetes haben) ihre Muttermilch abstreichen und tiefgefroren in die Klinik bringen. Dann kann es gleich losgehen, denn „schon zehn Minuten nach der Geburt kann ein Baby schmatzen und sich zur Brustwarze recken“, meint Dr. Neuß.

Keine Schnuller auf der Wochenbett-Station

Jedenfalls gibt es jetzt im Bethesda keine Werbung mehr für Milchersatzprodukte, „und auch keine Schnuller“, betont Oberärztin Christiane Hälbig-Von der Heide. Aber an jedem Nachttisch findet sich ein QR-Code, der auf Still-Videos verweist. „Das gibt es auf verschiedenen Sprachen, auch viele afrikanische Dialekte sind dabei“, sagt Lena Silva de Souza Winter, die Leitende Hebamme.

Wenn junge Mütter jedoch nicht stillen wollen, dürfe man „auf keinen Fall übergriffig werden, im Vordergrund steht immer eine gute Bindung zu dem Kind“, weiß Geschäftsführerin Maria Theis, die gut 20.000 Euro für das neue Zertifikat investierte – mit Erfolg: „Wir sind begeistert von der Station und fühlten uns bestens betreut“, loben Stine und Christoph Vogler. Die Eltern von Smilla hatten es gerade noch rechtzeitig geschafft, fünf Wochen vor der Geburt zu heiraten. Das erleichtert die Anerkennung der Vaterschaft. „Außerdem war es praktisch, dass wir im Krankenhaus gleich das Formular für das Kindergeld ausfüllen konnten“, sagt der 30-Jährige, der sich gerade in Bergedorf mit einer Social-Media-Agentur selbstständig gemacht hat.