Hamburg. Purzeln bald auch die Preise? Experten sehen vorerst keine Entspannung: Wer verkaufen muss, wird deutlich weniger erzielen.

Die Krise am Immobilienmarkt ist auch in Bergedorf spürbar – allerdings bisher noch nicht in Form deutlich sinkender Preise. Vielmehr ist die Zahl der Verkäufe sowohl bei Wohnungen, als auch Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften erheblich zurückgegangen. Das zeigt der aktuelle Immobilienbericht des Hamburger Gutachterausschusses für Grundstückswerte.

Das gut 200 Seiten starke Werk wertet sämtliche im Jahr 2022 notariell beurkundeten Kaufverträge einschließlich der tatsächlich gezahlten Preise aus. Der Ausschuss hat den gesetzlichen Auftrag, Transparenz auf dem Hamburger Immobilienmarkt zu schaffen. Sein Bericht erscheint einmal jährlich und gilt als bester Gradmesser, weil er im Gegensatz zu allen anderen Statistiken nicht nur auf den Angebotspreisen basiert.

Immobilien: Deutlich weniger Verkäufe im vergangenen Jahr

Die Veröffentlichung schlüsselt den Immobilienmarkt der Hansestadt in allen Facetten auf und nennt auch konkrete Zahlen für jeden einzelnen der 104 Hamburger Stadtteile. Entsprechend gut lässt sich die Entwicklung im Bezirk ablesen, besonders für die bevölkerungsmäßig größten Stadtteile Lohbrügge und Alt-Bergedorf.

In Lohbrügge ist die Zahl der Wohnungsverkäufe im vergangenen Jahr um gut 15 Prozent gegenüber 2021 auf nur noch 66 tatsächlich abgeschlossene Kaufverträge eingebrochen. In Alt-Bergedorf wurden 67 aktenkundig, was ein Minus von fast 30 Prozent gegenüber den 95 Verkäufen aus 2021 ist. Zum Vergleich: Im Hamburger Durchschnitt brach die Zahl der Wohnungsverkäufe um gut 20 Prozent ein.

Quadratmeterpreise in Lohbrügge fallen um fast zehn Prozent

Bei den erzielten Preisen verzeichnet Hamburg noch ein Plus von fünf Prozent, während die Lage im Bezirk Bergedorf sehr unterschiedlich ist: In Alt-Bergedorf wurde der Quadratmeter leicht teurer, stieg von 4551 auf 4578 Euro. Klar in die andere Richtung ging es aber in Lohbrügge: Von 3876 fiel der durchschnittlich gezahlte Preis auf nur noch 3582 Euro. Das entspricht einem Minus von knapp zehn Prozent. Neuallermöhe kommt in diesem Segment nicht vor, weil hier in beiden Jahren fast keine Wohnung verkauft wurde.

Eines der jüngsten fertiggestellten Neubaugebiete im Bezirk Bergedorf ist das Areal Tienrade am Reinbeker Redder in Lohbrügge.
Eines der jüngsten fertiggestellten Neubaugebiete im Bezirk Bergedorf ist das Areal Tienrade am Reinbeker Redder in Lohbrügge. © BGZ | Bonava

Deutlich nach unten zeigt neben den Wohnungen auch die Kurve der Verkäufe im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser. Hier rutschte Lohbrügge von 72 auf 54 Verkäufe ab. In Neuallermöhe brachen die Verkaufszahlen von 45 auf 27 ein, in Alt-Bergedorf blieben sie bei 58 und damit fast auf dem Niveau von 2021 mit 56. In diesem Segment werden vom Gutachterausschuss keine Quadratmeterpreise ermittelt, sodass ein Vergleich der Jahreswerte schwer möglich ist. Nur soviel: In Alt-Bergedorf hat ein Einfamilienhaus oder eine Doppelhaushälfte 2022 im Durchschnitt 731.000 Euro gekostet, in Lohbrügge waren es 616.000 Euro und in Neuallermöhe 586.000 Euro.

„Sowas hat man in den letzten Jahrzehnten nicht gesehen“

Zu den Gründen dieser Entwicklung mag sich Gutachterausschuss-Chefin Anke Lüders nicht festlegen: „Erstaunt, aber nicht verwundert reiben sich ausnahmslos alle, die mit Immobilien zu tun haben, die Augen – sowas hat man in den letzten Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, noch nicht gesehen. Dabei ist es gar nicht so einfach, das, was wir da feststellen und erleben, zu kategorisieren: Krise? Trendwende? Schockstarre?“, schreibt sie im Vorwort des aktuellen Berichtes. „Auch die in Frage kommenden Ursachen sind komplex: Krieg, Energiekosten, Zinsen Baukosten?“

Hier entstehen 76 neue Wohnungen: Der Neubau auf dem ehemaligen Gelände des Glunz-Kaufhauses soll Ende 2024 bezugsfertig sein. Die Wohnungen bleiben im Bestand von Glunz-Immobilien und werden vermietet.
Hier entstehen 76 neue Wohnungen: Der Neubau auf dem ehemaligen Gelände des Glunz-Kaufhauses soll Ende 2024 bezugsfertig sein. Die Wohnungen bleiben im Bestand von Glunz-Immobilien und werden vermietet. © BGZ | Ulf-Peter Busse

Etwas konkreter wird Oliver Kuhlmann im Gespräch mit unserer Zeitung: „Der Immobilienmarkt war in 2022 fast zum Erliegen gekommen, weil es fast keine Kaufinteressenten mehr gab. Mittlerweile bekommen die Makler wieder erste Aufträge“, sagt der Vorsitzende des Grundeigentümer-Vereins Bergedorf. „Aber wer seine Immobilie jetzt auf den Markt bringen muss, wird weitere Einbußen beim Preis erleiden.“ Wie lange das so bleiben werde, lasse sich nicht absehen: „Die neuen Vorschriften für die energetischen Sanierungen und die gerade von der Europäischen Zentralbank beschlossene erneute Leitzinserhöhung machen die Lage nicht gerade einfacher.“

Immobilien: Preise für Wohnungen seit 2012 dramatisch gestiegen

Ein Blick zurück zeigt, wie sehr sich die Hamburger an steigende Immobilienpreise gewöhnt hatten: Bei Eigentumswohnungen legte der durchschnittliche Quadratmeterpreis in der Stadt von 2606 im Jahr 2012 in den zehn Jahren bis 2022 um fast 250 Prozent zu. Etwas moderater ist der Anstieg mit „nur“ rund 200 Prozent im Bezirk Bergedorf. So gab es eine 100-Quadratmeter-Wohnung in Alt-Bergedorf 2012 mit etwas Glück noch für knapp unter 200.000 Euro, in Lohbrügge mussten im Durchschnitt sogar nur 180.000 Euro hingelegt werden.

Ähnlich rasant haben sich Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften verteuert. Der durchschnittliche Preis stieg in Hamburg in den zehn Jahren bis 2022 von 427.000 auf 935.000 Euro. In Lohbrügge zahlte man 2012 noch 269.000 Euro, in Alt-Bergedorf 356.000 Euro. Heute wird das Zwei- bis Zweieinhalbfache fällig.