Bergedorf. DGB erinnert zum Tag der Arbeit an einen großen Erfolg – warnt aber gleichzeitig vor gesellschaftlichen Fehlentwicklungen.

Der 1. Mai 2023 soll Mut machen: „Auch wenn wir in einer bedrückenden Zeit leben, mit Krieg, massiven Sorgen um das Klima und einer schleichenden Verarmung immer größerer Teile unserer Gesellschaft – es gibt auch Erfolgsmeldungen“, schaut Ernst Heilmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), auf die Entwicklung bei der Hauni. „Durch das gemeinsame Kämpfen von Mitarbeitern, Betriebsrat, Politik und Bergedorfer Verwaltung ist das Unmögliche Realität geworden: Der Körber-Konzern hat von seinen Abwanderungsplänen Abstand genommen und baut die Fabrik der Zukunft nun in Bergedorf.“

„Ungebrochen solidarisch“ lautet passend dazu das Motto der Gewerkschaften für den Tag der Arbeit am Montag, 1. Mai. In Bergedorf beginnt die traditionelle Kundgebung um 11 Uhr im Rathauspark am Schulenbrooksweg. Reden halten außer Ernst Heilmann auch Dennis Bornholdt von der Industrie-Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann. Die Musik kommt von der Gruppe „Rock die Straße“.

Hunderte zur Mai-Demo des DGB durch Bergedorf erwartet

Erwartet werden bis zu 1000 Gäste, für die wie immer auch Imbiss- und Getränkestände aufgebaut werden. Viele Hundert der Teilnehmer sind traditionell auch beim Demonstrationszug durch Bergedorfs City dabei, der sich um 10 Uhr vom Lohbrügger Markt aus in Bewegung setzen wird. Damit braucht Bergedorf den Vergleich mit Hamburgs zentraler DGB-Aktion nicht zu scheuen, die für 12 Uhr auf dem Bert-Kaempfert-Platz in Barmbek geplant ist.

Typisch Bergedorfer Demo zum 1. Mai: Bunt und laut ziehen Hunderte Teilnehmer des Zuges durch Bergedorf, hier vor einem Jahr auf dem Möllers Kamp am Rathauspark.
Typisch Bergedorfer Demo zum 1. Mai: Bunt und laut ziehen Hunderte Teilnehmer des Zuges durch Bergedorf, hier vor einem Jahr auf dem Möllers Kamp am Rathauspark. © BGZ | Christina Rückert

„Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens, um Deutschland in eine Zukunft zu führen, die für alle Menschen attraktiv ist“, wirbt Hamburgs DGB-Chefin Tanja Chawla im Gespräch mit unserer Redaktion für eine „nachhaltige, soziale und gerechte Transformation unserer Gesellschaft“. Für die Gewerkschaftsfunktionärin ist klar: „Der Ukraine-Krieg und die große Angst vieler Menschen vor seiner Ausweitung überdeckt weit tiefgreifendere Veränderungen in Deutschland. Es geht jetzt um eine faire Verteilung der immensen Kosten, die die Bekämpfung des Klimawandels verursacht. Und es geht um wirksame Schritte, endlich das Auseinanderdriften unseres Landes in immer mehr Arme und einen elitären Kreis der Reichen und Superreichen zu stoppen.“

„Aktionsplan Tarifbindung“: Nur Unternehmen mit Tarif bekommen öffentliche Aufträge

Tanja Chawla wie auch Ernst Heilmann werden in ihren Reden am 1. Mai für einen „Aktionsplan Tarifbindung“ werben, der die Vergabe öffentlicher Aufträge, aber auch die Mittel der Wirtschaftsförderung an die Tariftreue der Unternehmen bindet. Zudem gehe es darum, die Kosten des Klimaschutzes und die Folgen der rasanten Inflation nicht einseitig auf den ärmeren Teil unserer Gesellschaft abzuwälzen: „Es braucht einen Inflationsausgleich für die unteren und mittleren Einkommen“, sagt Hamburgs DGB-Chefin, die „gleichzeitig aber auch für deren Unterstützung bei den Kosten des Klima-Umbaus“ wirbt. Denn schließlich sei es „für eine Seniorin in einer kleinen Zweizimmerwohnung kaum möglich, 20 Prozent Energie einzusparen, um in den Genuss der aktuellen Förderungen zu kommen. Für den Bewohner einer riesigen Villa ist das aber ein Kinderspiel.“

Ernst Heilmann erinnert bei dem Thema an die rasant wachsende Kinder- und Altersarmut in Deutschland: „Zuwächse wie zuletzt über zehn Prozent bei den Senioren, die oft trotz lebenslanger Arbeit nur eine Grundsicherungsrente bekommen, sind pures Gift für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Wie schädlich das ist, zeigt sich schon längst in unserer Demokratie, wo dem rechten Parteienspektrum immer mehr Wähler zulaufen.“

Ob das Umsteuern in Form einer sozial-ökologischen Wende gelingt, könnte vielleicht am Wandel der Innenstädte abgelesen werden, auch in Bergedorf: „Es geht um die Kernfrage, wem die Stadt eigentlich gehört. Jetzt muss sich zeigen, ob uns Spekulanten die Richtung vorgeben, oder ob es die Bergedorfer selbst sind, die über die Zukunft von Sachsentor & Co. entscheiden.“

DGB-Chef Heilmann, der für die Linken in der Bezirksversammlung sitzt, wirbt für städtebauliche Verträge, die die Innenstadt als Identifikations- und Treffpunkt für alle Bergedorfer zum Ziel haben. „Dazu gehört ein Recht auf Wohnen, auch in der Innenstadt. Zudem geht es um Strategien, kleine inhabergeführte Geschäfte zu erhalten und nicht zuletzt auch die Kultur und damit das bunte Leben wieder zurück in die City zu holen. Bisher verhindern das die viel zu hohen Mieten.“