Bergedorf. Der 22-Jährige legt in seiner Freizeit als DJ bei Partys und privaten Feiern auf. Nur von Hochzeiten lässt er die Finger.

Schade eigentlich, dass er auf seinen Busfahrten keine laute Musik auflegen darf, wenn er etwa mit der VHH-Linie 8890 oder dem 124er zwischen Geesthacht und Bergedorf pendelt. Sean Erber hat gerade seine Ausbildung zum Busfahrer beendet. „Irgendwas mit Menschen und großen Autos“ sollte seinem Berufswunsch entsprechen, nachdem aus den ersten Ideen wie Erzieher oder Zollbeamter nichts geworden war. 2019, mit einem Realschulabschluss in der Tasche, zog er also von Grabow (bei Schwerin) nach Geesthacht. Mit im Gepäck: Seine Musikleidenschaft. Denn im Nebenberuf ist der 22-Jährige, der zum Glück an jedem Wochenende frei hat, ein Discjockey.

Das fing schon mit zarten elf Jahren an: „Ich war ein chaotisches und rabiates Kind, bis meine Schulsozialarbeiterin einen DJ-Workshop anbot. Ein Jahr lang haben wir musikalische Übergänge gelernt, Moderation, Musikauswahl und wie man auf die Leute zugeht, sie animiert“, erzählt Sean Erber. Dann kam die große Chance: Der Jugendrat der Stadt Ludwigslust suchte DJs für seine Ü-11-Partys, bei der bis zu 400 Elf- bis 16-Jährige feierten. Manchmal war Goa angesagt, meistens aber die Charts: DJ David Guetta lief, die Sängerinnen Avicii und Adele, auch der beliebte Rapper Pitbull. „Wir haben drauf geachtet, dass es keine sexistischen oder gewalttätigen Texte waren“, betont der DJ, der die „Jung Style Party“ von 2014 bis 2019 organisierte.

VHH-Busfahrer Sean Erber ist im Nebenberuf Disjockey

Ein Highlight aber gab es schon 2015, als das Deutsche Kinderhilfswerk die Party mit der „Goldenen Göre“ auszeichnete, für das Engagement mit Kinder- und Jugendbeteiligung. „Die Siegerehrung war im Europapark Rust, wo ich drei Tage bleiben durfte“, erzählt Erber, der für den zweiten Platz zudem 3000 Euro bekam: Geld für neue Technik. Musikanlage, Mischpult, Lichttechnik, Traversen und Party-Deko wurden gemietet. Auch die Hallenmiete musste bezahlt werden, wenn er inzwischen Nico Santos und Tim Bendzko auflegte, die Popsängerin Ava Max und viele Ballermann-Hits, denn „mir ist wichtig, dass jeder mitgrölen und tanzen kann“, sagt der DJ. Damals konnte er nicht ahnen, dass Vollker Racho (mit seinem Schlager „Das rote Pferd“) einmal sein Busfahrer-Kollege bei den VHH sein würde.

Wer älter als 16 war, ging bald in die „richtigen Discos“, wo Sean Erber ebenfalls Musik machte, also in der Event Arena Spornitz bei Parchim oder im Schweriner Club Zenit. 2017 machte sich der DJ selbstständig, wurde zu Geburtstagen, Abschlussbällen und zur Jugendweihe gebucht: 500 Euro pro Abend plus Fahrtkosten. Zur Auswahl stehen fast eine Million Titel. „Ich gebe vorher immer einen Fragebogen für die Musikwünsche heraus und lege dann einen entsprechenden Ordner für den Abend an“, erklärt der 22-Jährige, der oft hört: „Alles querbeet, außer Helene Fischer.“

Seine Freundin unterstützt den 22-Jährige bei der Buchhaltung

Das Wort Managerin ist sicher zu hoch gegriffen, aber Sean Erber ist froh und dankbar, dass sich seine Freundin Chiara Wendt um die „Zettelwirtschaft“ kümmert: „Ich setze die Verträge auf, schreibe Rechnungen und berate beim romantischen Musikgeschmack für Frauen“, sagt die 17-Jährige aus Schwerin, die eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten macht. Eine andere Freundin hat sich gerade ein Logo für seine Firma ausgedacht: Ein Bär mit Kopfhörern träumt auf einer Wolke. „Wegen meines Nachnamens habe ich an den Luftbären gedacht, also an Airbär“, sagt Sean Erber, der per Mail erreichbar ist unter airbaer.events@gmail.com.

Zuletzt aber war Airbeat angesagt, das große E-Musikfestival auf dem Flugplatz in Neustadt-Glewe. Da trug er auch das T-Shirt von Paul Kalkbrenner, seinem großen Idol: „Der kann einzelne Sequenzen steuern, den Bass rausdrehen oder eine Stimme mit Hall unterlegen“, schwärmt Sean Erber, der darauf hofft, eines Tages ebenfalls beim Airbeat One für 200.000 Besucher auflegen zu dürfen. Das traut er sich locker zu. Nur keine Hochzeiten: „Da bräuchte ich noch mehr Technik, müsste mindestens zwei Räume beschallen und beleuchten. An so einem Tag muss wirklich alles perfekt sein“, weiß der Busfahrer.