Hamburg. Sanitäranlagen müssen dringend saniert werden, in Fluren ist der Boden durchgebrochen: Betreiber fördern & wohnen steckt im Dilemma.

Muss sich der Bezirk schämen? Ist die Unterbringung von Flüchtlingen noch menschenwürdig in den maroden Containern am Curslacker Neuen Deich 57? Von „dramatischen Zuständen“ war jetzt im Sozialausschuss die Rede – und einem Dilemma: Einerseits müssen die Menschen dringend ein Dach über dem Kopf haben, andererseits ist der Zustand der Unterkunft, deren Erhalt immer wieder für gut eineinhalb Jahre verlängert wurde, skandalös: „Es ist einer der prekärsten Standorte in dieser Stadt“, sagte Imme Stoffers, Bereichsleiterin für Bergedorf beim Betreiber fördern & wohnen.

Aktuell stehen 270 Plätze zur Verfügung, die Situation sei „angespannt und voll auskömmlich belegt“ – mit früheren afghanischen Ortskräften der Bundeswehr, vor allem aber afrikanischen Frauen mit Kleinkindern. Längst hatte die Sozialbehörde gefordert, dass die maroden Sanitärbereiche saniert werden. Daher steht seit Januar das hintere Modul (mit Platz für 56 Personen) leer, allerdings musste wochenlang auf die Duschwannen gewartet werden. Vielleicht zum Jahresende sei man fertig. „Das ist nicht glücklich, denn hinter jedem Platz verbirgt sich ein Mensch, der dort wohnt“, so Stoffers.

Flüchtlingsunterkunft in Bergedorf gilt als problematisch

Seit 2013 wird der Standort immer wieder verlängert, obwohl die Container längst abgängig sind – zuletzt war ein Fußboden im Flur durchgebrochen, nicht zum ersten Mal. Die neuerliche Schließung ist für September 2023 vorgesehen, aber bis dahin wird sogar noch investiert – nämlich in die WLAN-Anschlüsse, die nach Auflage der Sozialbehörde bis zu den Zimmern reichen sollen. Mit einem Sendemast auf dem Gelände sei es bei den Metallcontainern nicht getan, erfuhr fördern & wohnen: „Wir müssen Leitungen verlegen, damit in die Container gefunkt werden kann“, so Stoffers, die angesichts der Investitionen von einem „interessanten Spagat“ sprach.

In diesem Raum lebt seit über drei Jahren eine Mutter mit drei Kindern.
In diesem Raum lebt seit über drei Jahren eine Mutter mit drei Kindern. © BGZ | strickstrock

Das Thema bewegt die Gemüter: „Müsste man den Standort nicht als unbewohnbar erklären, wenn das eine menschenunwürdige Unterbringung ist?“, fragte Helmuth Sturmhoebel (Die Linke). Fraktionskollege Lutz Jobs wurde deutlich: „Das ist eine dramatische und unbefriedigende Situation, gerade für Kinder. Das ist beschämend für eine so reiche Stadt wie Hamburg.“

Curslacker Neuer Deich 57: Container sind rott und viel zu eng

Tatsächlich ist es nicht nur alt und rott, sondern vor allem eng in den Containern: Gerade ebenso kommt die Frau zwischen Kleiderschrank und Kinderbett durch, um sich auf das zweite Bett zu legen: „Hier wohne ich seit drei Jahren und zwei Monaten mit meinen drei Kindern“, sagt eine Nigerianerin und hebt die Schultern: „Was soll ich machen? Es gibt keine andere Chance.“

Der Belegungsdruck sei nun mal höher als der Unterbringungsstandard, so die Bereichsleiterin – und fügte im Ausschuss mit etwas leiserer Stimme hinzu: „Der Bezirk sollte die Fläche nicht mehr zur Verfügung stellen. Oder eben für eine so lange Zeit, dass gut gebaut werden könnte.“ Denn fünfmal verlängerte eineinhalb Jahre seien eben „keine kurzfristige Maßnahme“ mehr.

Alternativen stehen in Bergedorf in absehbarer Zeit zur Verfügung

Fraglich jedoch, ob der Bezirk hier Einfluss hat, denn „das Grundstück gehört der Hansestadt“, meint Susanne Schwendtke, Sprecherin von fördern & wohnen. Die Sozialbehörde habe die Federführung, „es gibt für uns keine strikten Interventionsmöglichkeiten“, sagt Lennart Hellmessen, Pressesprecher des Bergedorfer Bezirksamtes.

Alternativen stehen durchaus absehbar zur Verfügung: Als Reservefläche gilt der Parkplatz am Curslacker Neuen Deich 80, wo im September ein einfacher Container in Betrieb genommen werden soll – für fünf Jahre. Zudem gab es am Dienstag eine Baubesprechung für die Erweiterung der Unterkunft an der Brookkehre – samt rollstuhlgerechten Wohnungen. Dafür könne in wenigen Wochen der Bauantrag gestellt werden, ein detaillierter Zeitplan steht noch aus.