Corona-Krise

Schutzkleidung fehlt - Bergedorfs Hausärzte am Limit

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In einem Textilunternehmen in Sachsen werden Masken und Kittel hergestellt. Der Mangel in Deutschland ist groß.

In einem Textilunternehmen in Sachsen werden Masken und Kittel hergestellt. Der Mangel in Deutschland ist groß.

Foto: Hendrik Schmidt / dpa

Dramatische Zustände für Bergedorfs Ärzte: Die Schutzkleidung ist fast aufgebraucht. Nicht alle Praxen können mehr beliefert werden.

Bergedorf. Die Lage bei Bergedorfs Hausärzten spitzt sich immer weiter zu: „Jeder Tag ist herausfordernd, oft auch überfordernd“, gesteht Dr. Anja Bommersheim-Klie, von der Hausarztpraxis Curslack. „Wir arbeiten schon am Limit. Trotzdem bleibt das Gefühl, es nicht mehr zu schaffen, wenn der Ansturm noch größer wird.“

Mit drei weiteren Kolleginnen stemmt sie sich in der Gemeinschaftspraxis am Curslacker Deich gegen die beiden Grundprobleme der Corona-Epidemie: Für das Testen der Virus-Verdachtsfälle ist die Schutzkleidung praktisch aufgebraucht. Und neben diesem Ansturm müssen natürlich auch die sonstigen Schwerkranken behandelt werden – von den vielen anderen Aufgaben wie Krankmeldungen, Rezeptdienst oder den unzähligen Anfragen am Telefon oder per E-Mail ganz zu schweigen.

Verdachtsfälle werden in ihren Autos getestet

„Wir haben uns jetzt in zwei Teams aufgeteilt, damit die Praxis bei einem Corona-Verdachtsfall nicht gleich ganz schließen muss“, berichtet Anja Bommersheim-Klie. „Vormittags ist die Sprechstunde ab sofort ausschließlich für Patienten ohne Corona reserviert. Danach wechselt das Team, denn nachmittags ist Infektionssprechstunde. Dann sind wir alle in Vollschutz. Die Corona-Verdachtsfälle werden in ihrem Wagen draußen auf dem Parkplatz durch die offene Seitenscheibe getestet.“

Parallel ist das Telefon wegen der großen Nachfrage den ganzen Tag über mit zwei Mitarbeiterinnen besetzt. „Das geht nur, weil unser ganzes Team in dieser schwierigen Zeit so gut mitzieht“, weiß die Ärztin.

Schutzkleidung: Lieferungen kommen nicht bei Hausärzten an

Angespannt wie in Curslack ist der Alltag bei allen rund 70 Bergedorfer Hausärzten, weiß Gregor Brinkmann vom Vorstand des Hamburger Hausärzteverbandes. „Wir tragen den Großteil der Last in dieser Krise, erhalten aber durch keinen Pandemieplan Unterstützung“, sagt Brinkmann.

Gerade habe die Kassenärztliche Vereinigung eine Lieferung an Schutzkleidung für Corona-Abstriche bekommen. „Die wird von jedem Kollegen händeringend gesucht. Sie geht aber komplett an die mobilen Abstrich-Teams, was natürlich verständlich ist“, sagt Brinkmann. Er hofft auf eine zweite Lieferung. Aber auch dann erhalte jeder auch nur exakt abgezählte fünf Schutzkittel. Brinkmann: „Das reicht nicht mal für einen Tag.“ Und es könnten sogar noch weniger kommen.

Kassenärztliche Vereinigung schlägt Alarm

Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) hat inzwischen mit der Auslieferung von Schutzausrüstung an Arztpraxen begonnen – und gleichzeitig Alarm geschlagen. „Wir haben nur so wenig Material bekommen, dass wir nur ausgewählte Arztgruppen und diese auch nur in sehr geringem Umfang ausstatten können“, beklagt der KV-Vorsitzende Walter Plassmann. „Wir haben die Arztgruppen danach ausgesucht, wo die meisten Kontakte zu Patienten bestehen und die größte Gefährdung beispielsweise durch engen Kontakt zum Gesicht.“

Beliefert würden Hausärzte, Kinderärzte, Internisten, HNO-Ärzte, Augenärzte sowie Radiologen und Strahlentherapeuten. Jeder Arzt erhalte lediglich fünf Masken und einen Kittel. „Das ist ein kleiner Tropfen auf einen sehr heißen Stein“, sagt Plassmann. Die KV Hamburg verhandele mittlerweile international mit Händlern, aber die Situation sei sehr schwierig.

Schutzkleidung wurde an der Grenze beschlagnahmt

„Zudem ist Ware, die bereits auf dem Weg zu uns war, im Ausland beschlagnahmt worden“, sagt Plassmann. „Da ist es uns so ergangen wie offenbar auch der Behörde.“ Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks hatte am Dienstag erzählt, dass Schutzmasken an der französischen Grenze beschlagnahmt worden waren. Der „Arztruf Hamburg“ komme mit dem vorhandenen Bestand noch über das Wochenende. Wenn kein Nachschub komme, müsse der Dienst aber eingestellt werden.

Bergedorfer Ärzte loben ihre Patienten

Lob gibt es von der Bergedorfer Ärzteschaft für die Patienten: Sie greifen vor dem Besuch in den Praxen immer häufiger erst zum Telefon oder schreiben eine E-Mail. „Das hilft, die Corona-Gefahr einzudämmen und uns besser zu organisieren“, sagt Brinckmann. Wie berichtet, arbeitet er am Aufbau eines Bergedorfer Testzentrums. Das sieht auch Anja Bommersheim-Klie als einzige Chance für die kommenden Wochen: „Noch einen Anstieg der Verdachtsfälle können wir in den Praxen nicht mehr schaffen.“

Mit einer zweiten Infektionswelle nach dem Abklingen der ersten durch die Skiurlaub-Rückkehrer rechnet auch Dr. Mario Sailer, ärztlicher Direktor im Bethesda Krankenhaus: „Die Zahl der bestätigten Corona-Fälle in häuslicher Quarantäne ist in Bergedorf bereits von 20 auf 50 Personen gestiegen.“

( upb/HA )

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