Boberg. Der kleine Frederik ist gerade vier Monate alt geworden. Ein süßer Kerl, der sehr interessiert in die Welt schaut und so gar nicht fremdelt. Wenn er wüsste, was seine Mutter für ihn auf sich genommen hat, er wäre sicher weit weniger entspannt.
Zahnmedizin ist der Schulzeit Traumjob
Emilie Hickstein studiert seit Oktober 2018 Zahnmedizin in Heidelberg. „Mein absoluter Traumjob schon seit ich Schülerin war“, sagt die 22-Jährige, die deshalb zwischen ihrem Abitur 2015 und dem Studium noch eine Zahntechniker-Ausbildung absolvierte. Die Basis, um später Kieferchirurgin zu werden.
Mit Optimismus für das Kind ausgesprochen
Vor einem Jahr kündigte sich dann aber plötzlich Frederik an. „Er war nicht geplant. Und sein Vater wollte ihn auf keinen Fall. Aber für mich gab es keinen Zweifel. Selbst wenn ich eine alleinerziehende
Mutter werden sollte – ich wollte ihn haben“, sagt Emilie Hickstein. „Es muss heute
doch Möglichkeiten geben, Studium und Kind unter einen Hut zu bringen.“
Studium in Heidelberg für Alleinerziehende unmöglich
Doch da sollte sie sich täuschen. Zwar folgte noch während der Schwangerschaft die endgültige Trennung von ihrem Freund. Aber mit Säugling allein auf sich gestellt sollte die Fortsetzung des Studiums in Heidelberg unmöglich werden: „Es gibt zahlreiche verpflichtende Praktika bis 21 Uhr, aber weder Tagesmütter noch Kitas, die diese Zeiten abdecken“, sagt die junge Mutter – und bekam das sogar schriftlich von der Dekanin der Medizinischen Fakultät bestätigt.
Hochschwanger wichtige Zwischenprüfungen bestanden
Um sich die Chance auf den Wechsel an die Uni Hamburg zu erhalten, legte Emilie Hickstein hochschwanger in Heidelberg noch alle Prüfungen zum Vorphysikum ab. Denn, so ihre Hoffnung, wenn ihre Eltern in Boberg die Betreuung von Frederik sicherstellen, dürfte der Fortsetzung des Studiums im dritten Semester am zahnmedizinischen Fachbereich des Uniklinikums Eppendorf nichts im Weg stehen.
Immerhin gilt sie als alleinerziehende Säuglingsmutter als Härtefall.
Uni Hamburg: Trotz Härtefall keine Zulassung
Doch weit gefehlt: „Das Hochschulzulassungsgesetz sieht, anders als bei der Vergabe von Studienanfängerplätzen, für Plätze in höheren Fachsemestern keine Härtefallquote vor“, antwortete Uni-Sprecherin Dr. Rosalie Förster auf Nachfrage unserer Zeitung. Im Übrigen gebe es mangels Studienplatzkapazitäten in Hamburg seit Jahren keine Zulassungen zum zweiten Studienabschnitt in Zahnmedizin.
Tauschbörse bislang ohne Erfolg
„Ich hätte nicht geglaubt, dass die Entscheidung Mutter zu werden, heute noch eine Entscheidung gegen den Beruf sein kann“, sagt Emilie Hickstein, die natürlich auch andere Wege zur Fortsetzung des Studiums angeschoben hat. So ist sie seit bald einem Jahr in allen fünf Tauschbörsen für Studienplätze in Deutschland eingeschrieben. Aber: „In Zahnmedizin scheint niemand vom Norden in den Süden Deutschlands wechseln zu wollen.“ Selbst die Bewerbung als Erstsemester in Hamburg hat sie in Erwägung gezogen. „Aber dafür reicht mein Abi-Schnitt von 2,3 nicht aus. Außerdem müsste ich mich vorher in Heidelberg exmatrikulieren. Aber tue ich das und werde dann nicht genommen, stehe ich wirklich auf der Straße.“
Trennung von Mutter und Kind als einzige Chance?
Die einzige Chance scheint zu sein, den kleinen Frederik bei den Eltern in Boberg zu lassen – und die nächsten Jahre ohne ihn in Heidelberg das Studium fortzusetzen. „So sieht also die Wirklichkeit aus – auch heute noch“, sagt die junge Mutter. „Eigentlich wollte ich nicht glauben, was ich bei verschiedenen Telefonaten mit den Büros der Chefs des Uniklinikums Eppendorf hörte: ,Sie haben sich für das Kind entschieden. In diesem Fall ist es nun mal Kind oder Studium. Wir können nichts für sie tun.’“
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