Kontrollaktion

„Tippen tötet“: Polizei macht mobil gegen Handysünder

| Lesedauer: 3 Minuten
Jan H. Schubert und Gerrit Pfennig
André Mangels hat einen Sünder mit Handy am Ohr erwischt. Die Beamten stellten bei der Kontrolle an der Bundesstraße 5 in kurzer Zeit neun Verstöße fest. 

André Mangels hat einen Sünder mit Handy am Ohr erwischt. Die Beamten stellten bei der Kontrolle an der Bundesstraße 5 in kurzer Zeit neun Verstöße fest. 

Foto: Jan Schubert

Bergedorf. Jeder zweite Unfall ist Folge von Ablenkung, schätzen Forscher. Tippen auf Smartphones ist besonders gefährlich.

Bergedorf.  „Tippen tötet“ – unter diesem Titel waren gestern deutschlandweit rund 11 000 Polizisten bei 3200 Kontrollen und Aktionen ab 6 Uhr morgens im Einsatz. Anlass für den Tag, mit dem auf die Gefahren der Nutzung von Handy, Navi und Co. am Steuer hingewiesen wurde, war die europaweite Aktion „sicher.mobil.leben – Ablenkung im Blick“. Organisiert wurde der Tag von Sachsen-Anhalt, das derzeit die Innenministerkonferenz leitet.

Nach einer Polizeistatistik nutzt jeder zweite Verkehrsteilnehmer sein Handy ohne Freisprecheinrichtung, jeder vierte bedient während der Fahrt sein Navi und jeder sechste schreibt Nachrichten mit dem Smartphone. Diese Einschätzung bestätigte gestern eine erste Zwischenbilanz der Polizei Hamburg, die bis 11.30 Uhr insgesamt 867 Fahrzeuge kontrolliert hat und dabei 446 Verstöße mit „elektronischen Kommunikationsgeräten“ verzeichnete.

23-Jährige verlor bei Unfall Arm

Joannis Roock, Einsatzleiter bei der Aktion in Bergedorf, braucht für seine Einschätzung keine Studien. Bei dem Polizeihauptkommissar hat sich aus der Zeit beim Verkehrsunfalldienst ein Ereignis ins Gehirn gebrannt. Vor einem Jahr verunglückte eine 23-Jährige nahe Barsbüttel, weil sie nebenbei eine Whatsapp-Nachricht tippte. Sie verlor bei dem Unfall einen Arm. „Wir haben immer mehr Unfälle, bei denen der Gebrauch des Telefons vom Verkehr ablenkte, aber auch das Betätigen von Touchscreens im Auto“, sagt Roock.

Bei mehr als 50 Prozent aller Verkehrsunfälle sind die Fahrer abgelenkt, schätzen Forscher. Der Polizei liegen noch keine Zahlen zur Unfallursache Handy vor. „Das Problem Handy am Steuer wird eher schlimmer“, weiß aber Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Vor allem, was das Texten betreffe. Das sei besonders gefährlich: Keine andere Beschäftigung nehme so viel von unserem Blickfeld und unseren Gedanken ein.

100 Euro Bußgeld, ein Punkt in Flensburg

Wer erwischt wird, erhält einen Punkt in Flensburg und muss ein Bußgeld von 100 Euro zahlen. Wer andere gefährdet oder schädigt, muss 150 oder 200 Euro Bußgeld zahlen. In diesen Fällen sind zwei Punkte fällig und es droht ein Fahrverbot. Auch wer mit einem Handy auf dem Fahrrad erwischt wird, muss zahlen – 55 Euro.

Bergedorfs Polizei verteilte gestern zunächst an den S-Bahnhöfen Flyer. Dann wurde zweieinhalb Stunden an der Bergedorfer Straße kontrolliert: An der HEM-Tankstelle beobachteten Zivilbeamte die Autofahrer und meldeten Verstöße an Roock und sein Team, die auf Höhe der Überführung Ladenbeker Furtweg die Sünder herauswinkten. Die Beamten hielten 37 Fahrer an. Neunmal gab es Verstöße wegen Handy-Telefonaten (7) oder Textens (2).

„Schokoriegel ans Ohr gehalten“

Nur zwei der Erwischten hätten sich kaum einsichtig gezeigt, etwa der Fahrer (35) eines Mercedes-Sprinter: „Er empfand die Aktion als polizeiliche Willkür und gab an, sich in dem Moment einen Schokoriegel ans Ohr gehalten zu haben, den er essen wollte“, berichtet Roock.

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