Von Anne K. Strickstrock

Bergedorf.
Hokuspokus, ein "lebendiges Kino-Theater" mit Synchronsprecherin auf der Bühne und wunderliche Geschichten erleben Fünf- bis Zehnjährige am Mittwoch, 9. September, von 14.30 Uhr an im Haus im Park. Die 16-köpfige Truppe der Hörbücherei lädt zu einem kostenlosen Kinder-Nachmittag in den Gräpelweg 8. Dass dabei sogar zwei 90-Jährige flockig die Bühne stürmen, wundert niemanden, der ein bisschen in ihren Biografien kramt.

Tucholskys "Lohn der Wahrheit" hat sich Ilsemarie Süssmuth ausgesucht, wenn sie sich zur "Märchen-Oma" verwandelt und den Kindern vorliest. Seit sieben Jahren ist die Glinderin im Hörbücherei-Team für Texte zuständig, wählt aus und liest, was auf CD gebrannt wird. Die studierte Dolmetscherin ist ein ausgewiesenes Sprachtalent: "Nach dem Krieg war ich bei der französischen Besatzungsmacht in der Presseabteilung. Danach ging ich zu einem Filmverleih in Frankfurt. Und zuletzt blieb ich lange Jahre in der Presseabteilung der Air France." Damals sei sie sogar für einen Traumberuf zuständig gewesen: "Wir durften die schönsten Stewardessen einstellen. Und ich durfte mit der ersten Concorde nach New York fliegen", erzählt Ilsemarie Süssmuth. Aber auch Italien war verlockend: "In Rom habe ich Kindern 20 Jahre lang Nachhilfe in Deutsch und Französisch gegeben."

Französisch und Englisch hat auch Axel von Koss viel gehört, denn sein 90-jähriges Leben bot manche Überraschung - passend zu seinem Talent als Zauberer: "Als 15-Jähriger kaufte ich mir in einer Zauberhandlung am Jungfernstieg für eine Mark den ersten Trick. Damit konnte ich ein Kartenspiel in eine Streichholzschachtel verwandeln." Noch viel mehr wurde geübt, als ihm der alte Nachbar einen Zauberkasten schenkte. Und so reichte es bald für eine kleine Show: "Als die Pimpfe der Hitlerjugend im Theatersaal am Besenbinderhof drei Abende für Soldatenfrauen gaben, durfte ich meine Tricks vorführen."

Doch der Traum vom Varieté-Künstler endete 1943 jäh, als Axel von Koss mit 18 als Funker der Wehrmacht im französischen La Rochelle stationiert wurde. Aber selbst dort wurden seine schelmischen Tricksereien bald bekannt, zum Beispiel bei der Feier zum "Tag der Machtübernahme" am 30. Januar. "Ich durfte auf einer Bühne in einem Klostersaal auftreten. Die schwarzen Vorhänge hatten wir uns bei einem Bestatter geliehen", erinnert er sich an seine Solonummer, bei der er eine Spielkarte verbrannte, die aber heil wieder auftauchte - direkt neben seinem Oberst. Und genau der fragte anschließend, ob von Koss ein Soldatenkabarett an anderen Stützpunkten anbieten könne, um die Soldaten zu unterhalten. "Doch einmal fühlte sich ein Spieß arg verunglimpft und warf mir Wehrkraftzersetzung vor. Da wurde ich an die Front versetzt."

In Kriegsgefangenschaft in England schrieb Axel von Koss seine ersten Theaterstücke - und traf auf einen alten Lagerkommandanten: "Er bat mich zur Filmabteilung für die Kriegsgefangenenhilfe in London. Da konnte ich zuletzt 43 Filmkreise technisch ausbilden." Und unter den Kriegsverweigerern fanden sich zahlreiche kreative Künstler und Regisseure.

Zurück in Hamburg führte Axel von Koss zunächst Filme bei den Finkenwerder Lichtspielen vor, dann ging es in die Werbeabteilung von C&A und im einst bekannten Modehaus Horn. Aber immer wieder lockte die Filmkunst, etwa beim Deutschen Heimatfilmdienst: "Da habe ich mehr als 100 Filme über deutsche Ortschaften gedreht", sagt der 90-Jährige, der sich später - "als die Leute selbst eine 8-mm-Kamera hatten" - auf die Produktionsleitung in der Videobranche konzentrierte.

Seine Zaubertricks aber hat der Lokstedter, der seit 16 Jahren im Hörbücherei-Team mitarbeitet, nicht verlernt: "Am Mittwoch ist jedenfalls ein wundersames Skelett auf der Bühne." Mehr wird noch nicht verraten.

"Ich habe 100 Filme über deutsche Orte gedreht." Multitalent Axel von Koss (90)