Bergedorf
(upb).
In den wilden 80er-Jahren legten sich die Gründer des Kultur- & Geschichtskontors gern mit Bergedorfs Establishment an. Als "Initiative zur Erhaltung historischer Bauten" machten sie sich sogar als Hausbesetzer einen Namen, stemmten sich mit allen Mitteln gegen die Abrisswut rücksichtsloser Investoren, die damals sehr gute Drähte ins Rathaus hatten.

Mit der Gründung des Kontors 1991 zogen sie an den Reetwerder und wurden zur Geschichtswerkstatt, die nur noch ab und zu die Zähne zeigt. "Langeweile gibt es hier trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil: Ich habe hier entdeckt, wie spannend Geschichte ist", sagt Antje Einicke. Die 44-jährige Soziologin ist im Juni 2014 eher zufällig zum kleinen Team gestoßen.

Nach dem Studium, das sie wegen ihrer heute 22-jährigen Tochter erst spät begann, suchte sie vergeblich einen Job. Durch Zufall entdeckte sie die Anzeige des Kontors, das für sein Archiv jemanden suchte, der hier seinen Bundesfreiwilligen-Dienst leistet. "Ich hatte mit Geschichte zwar nichts am Hut. Aber die eineinhalb Jahre, in denen die Sozialleistungen übernommen und ein kleines Taschengeld gezahlt werden, erschienen mir ideal als Sprungbrett ins Berufsleben", sagt Einicke.

Am Reetwerder entdeckte man schnell ihre außerordentlichen kommunikativen Fähigkeiten, und Kontorchef Christian Römmer setzte sie gar nicht erst ins Archiv. Antje Einicke stieß zum Recherche-Team des Handwerker-Buchs, das nach gut einjähriger Arbeit nun am 20. November erscheinen wird. "So viel wie hier habe ich noch nie gelernt. Das gilt für die gute Teamarbeit ebenso wie für die Tricks und Kniffe der Tischler, Straßenbauer, Schlachter und sonstigen in Bergedorf vertretenen Gewerke. Denn deren alte Meister habe ich alle interviewt."

Für die Rahlstedterin steht fest, dass die Arbeit des Kontors heute wichtiger Bestandteil Bergedorfs ist: "Hier gibt es viele feste Ehrenamtliche und noch mehr Menschen, die Fundstücke wie Fotos, Gegenstände oder ganze Sammlungen von Dachböden im Bezirk abliefern. Oder die einfach erzählen wollen. Das macht Geschichte lebendig. Denn Historie, das sind mittlerweile sogar schon die 90er-Jahre."