Von Anne K. Strickstrock

Bergedorf.
Die Bauarbeiter haben den schönsten Ausblick auf das Billetal: Gleich hinter dem Stadion, an der Von-Anckeln-Straße 10-14, wird seit Monaten kräftig gewerkelt. Hier entsteht auf einem 1590 Quadratmeter großen Grundstück eine zweigeschossige Flachdach-Villa. Sie wird für 1,09 Millionen Euro angeboten und soll noch in diesem Jahr bezugsfertig sein.

Zum anderen beginnt der Rohbau für ein rot geklinkertes Mehrfamilienhaus mit fünf Eigentumswohnungen. "Vier haben wir bereits mit Hamburger Handschlag vergeben. Für die 144 Quadratmeter große Erdgeschosswohnung für 625 000 Euro suchen wir noch einen Käufer", sagt das Ehepaar Susan und Thorsten Weber von der IRS Property Management GmbH.

Vor drei Jahren hat die Bauträgerfirma das insgesamt 5000 Quadratmeter große Gelände gekauft. Herzstück ist die 1912 erbaute und unter Denkmalschutz stehende Villa, die drei große Wohnungen beherbergt. Zwei sind schon an Familien verkauft, im Dachgeschoss kann sich noch für 450 000 Euro ein neuer Eigentümer verwirklichen - wenn er die Denkmalschutz-Auflagen wahrt. Denn die sogenannte "Biebler-Villa" hat historisch viel zu erzählen.

Architekt des Hauses war der Hamburger Baurat Ludwig Wendemuth - derselbe Mann, der ein Jahr zuvor den Elbtunnel eröffnet hatte. Wendemuth selbst indes wollte nicht in Bergedorf leben. Er baute das Haus für eine bekannte Bergedorfer Kaufmannsfamilie: Johann Biebler, der zunächst 1878 an der Großen Straße in Sande (heute Lohbrügge) einen Laden für "Manufacturwaaren" eröffnete. 1908 begründete er zudem ein großes Warenhaus; die heutige Adresse: Sachsentor 33. Tischgedecke, Korsetts, Pelzwaren und Reisekörbe wurden ebenso angeboten wie Seidenwaren, Nähmaschinen, Lederjoppen und Jünglings-Anzüge.

Das Warenhaus Biebler war eindeutig das größte in Bergedorf. Seine Bedeutung hat es bis heute nicht verloren, denn die Söhne Richard und Reinhard führten die Geschäfte fort, bis sie 1949 an Hertie abgaben. Nach einem Brand im Sommer 1958 wurde die schöne Jugendstil-Fassade jedoch von einem modernen Neubau abgelöst. Und 1996 schließlich wurde Hertie von der Karstadt AG übernommen.

"Ich hörte oft die alten Kaufmanns-Geschichten. Denn es war mein Großonkel Reinhard Biebler, der das Haus im Villengebiet kaufte. Ich selbst habe an der Von-Anckeln-Straße von 1952 bis 2013 gewohnt", sagt der ehemalige Eigentümer Jürgen Klaus Rohn. Der 74-Jährige kämpfte gut 16 Jahre lang für seine Neubaupläne. "Als ich endlich die Baugenehmigung hatte, wurde es mir zu viel im Alter", erklärt Rohn seinen Verkauf.

Fortan folgten nicht nur friedliche Tage. "Wir haben uns von dem gesamten Projektteam getrennt", räumt die IRS GmbH ein. Statiker und Architekt wurden ebenso ausgetauscht wie die erste Baufirma, die an der Hanglage nicht die nötige Baustellen-Sicherheit bedachte - und sich damit bei der Bergedorfer Verwaltung vorübergehend einen Baustopp einhandelte.

"Die ganze Bauqualität ist erschütternd", schimpft Karl Friedrich Marks. Der Wentorfer war zunächst als Makler beauftragt, aber die Kaufverträge für die Wohnungen seien eine Zumutung gewesen: "Es gab keine Bankgarantie, damit also auch keine Gewährleistung auf Fertigstellung." Marks will die Firma nun verklagen, denn aus dem ursprünglichen Verkauf stehe ihm noch eine Courtage zu.

Ehepaar Weber indes bleibt gelassen: "Wir haben die Wohnungen problemlos ohne Courtage anbieten können."