Von André Herbst

Bergedorf.
"Den Flüchtlingen eine Stimme geben", das ist das Ziel der Initiative Fluchtpunkt und des Vereins Bergedorfer für Völkerverständigung. Mit einem hamburgweit einmaligen Projekt wollen beide dafür werben, nicht nur über, sondern vor allem mit den Menschen zu sprechen, die nach Europa fliehen. Eine vielschichtige Ausstellung mit Fotos, Bildern und Biografien soll ebenso dazu beitragen wie mehrere Podiumsrunden, alles im Haus im Park am Gräpelweg 8. Die Reihe startet am Sonntag, die vielfältige Ausstellung ist vorerst bis zum 30. September terminiert.

Sie kommen aus Afghanistan, Irak, Syrien und Armenien, aus dem Gazastreifen, dem Iran, Eritrea, Sudan und weiteren Brennpunkten, etwa in Lateinamerika. Menschen fliehen vor Terrormilizen wie dem IS und den Taliban, vor Fassbomben auf die Zivilbevölkerung, vor staatlicher Verfolgung, vor Unterdrückung wie auch vor Todesschwadronen und Bürgerkrieg. Wer diese Menschen sind, spielt derzeit in der öffentlichen Betrachtung nur eine untergeordnete Rolle - wenn überhaupt, bedauert Dieter Wagner von Fluchtpunkt. "Sonst wird immer nur über diese Menschen geredet. Wir geben ihnen die Möglichkeit, in eigenen Worten, in Bildern, in Fotos und Videos über sich selbst zu informieren."

Viele bringen reichhaltige Erfahrungen, großes kulturelles Potenzial und häufig reichlich berufliches Know-how mit, sagt Girija Harland, Vorsitzende des Vereins Bergedorfer für Völkerverständigung. "Sehr viele von ihnen wollen ihr Leben so schnell wie möglich wieder in die eigenen Hände nehmen - und geraten dann in die Mühlen der Bürokratie", bedauert die Trägerin des Bergedorfer Bürgerpreises.

Die Beweggründe, Probleme und Empfindungen der Flüchtlinge können die Bergedorfer auf verschiedenen Wegen erfahren. Ein wichtiger Teil der Ausstellung sind verschiedene Kunst- und Biografie-Projekte des Vereins. So Frauen in der Unterkunft Sandwisch, die mit Unterstützung Ehrenamtlicher Verfolgung, Flucht und Traumata in bunten Bildern wie auch Selbstporträts verarbeiten. Oder ein palästinensischer Künstler in der Unterkunft in Bergedorf-West, der Porträts von Flüchtlingskindern malt und sie dazu bringt, ihre Porträts selbst zu ergänzen.

Mittelpunkt der Ausstellung ist eine Reihe von Flüchtlingsbiografien, die mithilfe eines Deutschlehrers entstanden ist und das Geschriebene teils mit Fotos der Autoren in Beziehung setzt. Auch das von ehemaligen Gewerbelehrern, Ehrenamtlichen und Schülern unterstützte Projekt Lampedusa-Stühle findet sich wieder. In der Gewerbeschule G 19 fertigen Flüchtlinge mit sachkundiger Unterstützung Möbel aus Holz, das dem der Lampedusa-Flüchtlingsboote nachempfunden ist.

Auf die offizielle Eröffnung am 23. August (19 Uhr, Haus im Park) folgt am Donnerstag, 27. August, um 19 Uhr das Filmprojekt "Move - oder vom Hören und Sagen". Ein rund 40-minütiger Streifen zeigt das Leben von Kindern und Jugendlichen in einer Neuallermöher Wohnunterkunft. Daran schließt sich eine Podiumsdiskussion zur Lebenssituation junger Flüchtlinge an.

Der dritte Termin am 3. September, 19 Uhr, ist Flüchtlingsbiografien gewidmet. Einige der Schicksale werden dabei verlesen. "Zwei Flüchtlinge, die schon länger in Deutschland leben, inzwischen die Staatsbürgerschaft haben, werden ihre Biografien selbst präsentieren", erläutert Dieter Wagner. Sie beantworten anschließend bei einer Podiumsdiskussion auch Fragen aus dem Publikum.

"Es geht nicht nur darum zu zeigen, dass es gelingen kann, sich zu integrieren", sagt Girija Harland. "Es geht auch darum aufzuzeigen, welche Schwierigkeiten dabei auftreten können. Und noch mehr einen Eindruck zu vermitteln, dass und wie Probleme zu lösen sind."