Von Ulf-Peter Busse

Bergedorf.
Die Giftfracht der Vergangenheit holt die Bergedorfer Schlossstraße wieder ein. Heute Vormittag sitzen Bodenschutzexperten der Umweltbehörde mit den Geschäftsleuten zusammen, um den Termin für die nächsten Tiefenbohrungen abzustimmen. "Sie sind zwar unbeliebt, aber unumgänglich. Wir müssen im Herbst starten, sonst bleiben die Schadstoffe noch Jahrzehnte im Grundwasser", sagt Projektleiterin Dr. Ingke Rachor.

Über 20 Jahre dauert der Kampf schon. Denn das aggressive Reinigungs- und Lösemittel Perchlorethylen aus der Chemischen Reinigung und Färberei Riemann hat sich in 17 bis 22 Metern Tiefe unter Schlossstraße und Sachsentor buchstäblich festgesetzt. "Diese Leichtflüchtigen Chlorierten Kohlenwasserstoffe, kurz LCKW, sind schwerer als Wasser, kaum löslich und nur schlecht durch Bakterien und Pilze abbaubar", beschreibt Altlasten-Experte Dr. Hans Wirth. "Sie haben hier neben dem oberen Grundwasserleiter in acht Metern Tiefe auch den unteren erreicht. Das ist besonders problematisch, weil genau in diesem Bereich einst die Gletscher der Eiszeit endeten, die wasserundurchlässige Sohle also extrem zerklüftet ist. In ihre Nischen haben sich die LCKW eingelagert und sorgen so für eine ständige Belastung des Grundwassers."

Alles stammt von der Firma Riemann, die von 1947 bis 1970 auf einem Grundstück tätig war, das sich in etwa vom heutigen Schoko-Kontor "Tante Anna" bis zum Italiener "Santa Lucia" erstreckte. Auch wenn für die Geschäfte und Anwohner mittlerweile keinerlei Gefahr mehr besteht, sieht es unter ihren Füßen ganz anders aus: Würde die Pump- und Reinigungsanlage im Schlosspark dieses Grundwasser nicht seit 1998 ununterbrochen absaugen und reinigen, wäre sogar die Qualität des in Curslack geförderten Trinkwassers gefährdet.

Hans Wirth wird noch deutlicher: "Die Relikte der Reinigung Riemann an der Bergedorfer Schloßstraße sind das Fieseste, was es in ganz Hamburg an Bodenverunreinigung gibt. Die hatten damals nicht mal einen Betonfußboden und nutzten die Reinigungsmittel offenbar in riesigen Mengen."

Geld für die bisher schon weit über drei Millionen Euro teuren Sanierungskosten ist bei dem Unternehmen oder seinen Erben keines mehr zu holen: Als der Schaden Mitte der 90er-Jahre bemerkt wurde, war die Firma seit einem Vierteljahrhundert gelöscht.

"Genau diese 25 Jahre sind das Ursprungsproblem der heutigen Misere", betont Dr. Ingke Rachor. "Sie beschreiben den Vorsprung, den die Schadstoffe haben. Selbst das großflächige Auskoffern der alten Betriebsfläche im Jahr 1998 konnte sie nicht beseitigen, obwohl der Boden bis auf 22 Meter Tiefe ausgetauscht wurde." Das Gift hatte das Grundstück im Untergrund längst verlassen und schlummert bis heute überall zwischen Bergedorfer Schlossstraße und Sachsentor im Boden.

Damit sich das endlich ändert, soll ein Pilotprojekt gestartet werden. "Erst bringen wir im Herbst auf den Parkstreifen der Schlossstraße neun Bohrungen bis knapp 20 Meter Tiefe nieder, um die Lage der LCKW abschätzen zu können", beschreibt Rachor. "Anschließend wird über vier Beobachtungsbrunnen ein Substrat, voraussichtlich Speiseöl, in den Bereich der Schadstoffe gebracht. Es soll die Population der Bakterien forcieren, die LCKW abbauen." Gelingt das, könne die Grundwasserbelastung binnen eines Jahrzehnts weitgehend verschwinden.

Für Bohrungen müssen Parkplätze für zwei Wochen gesperrt werden. Bauliche Eingriffe sind dagegen für das Pilotprojekts nicht notwendig. Alles wird unterirdisch über die weiter laufende Pump- und Reinigungsanlage im Schlosspark gesteuert. "Wir versuchen, die Unannehmlichkeiten für die Anlieger der Schlossstraße so gering wie möglich zu halten", verspricht die Projektleiterin.

"Die Relikte der ehemaligen Reinigung Riemann sind das Fieseste, was es in ganz Hamburg gibt." Dr. Hans Wirth, Altlastenexperte