Lohbrügge/Lampedusa
(upb).
Ingo Werth ist sauer auf die Europäische Union: "Unser Einsatz mit der 'Sea-Watch' hier im Mittelmeer zeigt, dass die EU ihre Verantwortung bei der Seenotrettung von Flüchtlingen nicht wirklich ernst zu nehmen scheint", zieht der Lohbrügger Bilanz der zweiten Einsatzfahrt des privat finanzierten Rettungskutters in den Gewässern vor Libyen.

Kapitän Werth und seine ehrenamtliche Crew haben innerhalb der sechs Tage 587 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Besonders dramatisch entwickelte sich ein Einsatz nahe der libyschen Küste: Die "Sea-Watch" entdeckte ein sinkendes Schlauchboot, auf dem 116 Menschen kauerten. Obwohl die Crew eigentlich nur mit ausgefeilter Ortungs-Technik an Bord und durch das medizinische Know-how der Ärzte im Team hilft, entdeckte Flüchtlinge auf andere Schiffe zu bringen, waren sie in diesem Fall auf sich allein gestellt.

"Wir konnten alle Menschen auf zwei unserer Rettungsinseln retten. Ein Schwerverletzter wurde an Bord der 'Sea-Watch' von unseren Ärzten erstversorgt", beschreibt Werth. Er wundere sich, dass sein Schiff zu diesem Zeitpunkt ganz allein durch die eigentlich von der EU zum Rettungsgebiet erklärten Gewässer kreuzte. "Wo waren die 'Schleswig-Holstein' und die 'Werra' der deutschen Marine? Wir fühlen uns von EU und Bundesregierung im Stich gelassen", sagt 'Sea-Watch'-Initiator Harald Höppner. "Die Situation, die wir vor Ort erlebt haben, erweckt den Eindruck, dass der Rettungseinsatz der Bundeswehr nicht viel mehr war als eine medienwirksame PR-Maßnahme."

Skipper Ingo Werth ist mit Schiff und Crew nach sechstägigem Dauereinsatz mittlerweile nach Lampedusa zurückgekehrt. Auf der italienischen Insel werden die komplett "verbrauchten" Rettungsinseln der "Sea-Watch" ersetzt und es geht eine neue ehrenamtliche Mannschaft an Bord. Ingo Werth selbst kehrt in den nächsten Tagen nach Lohbrügge zurück - mit bleibenden Eindrücken: "Als Sofortmaßnahme fordern wir die EU auf, ihre Verantwortung bei der Seenotrettung wahrzunehmen und endlich mehr Schiffe zu schicken, die auch tatsächlich selbst Rettungseinsätze durchführen. Alle andere wäre unterlassene Hilfeleistung."