Von Anne K. Strickstrock

Bergedorf.
Als kleines Kind sah er Leichen auf der Straße liegen. "Und niemand durfte sie wegtragen. Niemand hat sich getraut", erzählt Zakira. Er weiß, dass sich junge Männer in Afghanistan "entweder für die Armee oder für die Taliban entscheiden müssen". Mit 14 Jahren floh der Junge über Russland, die Ukraine, Tschechien und Salzburg nach Hamburg. Aber: "Ich finde keine Ruhe, meine Familie lebt noch in Kabul."

Zakira ist einer von zehn Bewohnern Bergedorfer Flüchtlingsunterkünfte, die ihren Lebensweg aufgeschrieben haben. Und sie alle wurden von dem Chilenen Marcelo Hernandez fotografiert. Es sind Bilder vom Leid der Vertriebenen, aber auch "Belege für ihren Überlebenswillen, Mut und vor allem Hoffnung", meint Bergedorfs Integrationsbeauftragter Jorge Birkner. Gemeinsam mit fördern & wohnen und der Buhck-Stiftung konzipierte er eine Wanderausstellung mit 27 Fotos. Sie wird heute um 17 Uhr von Bezirksamtsleiter Arne Dornquast im CCB eröffnet. Unter dem Titel "Hoffnungsträger - zehn Bergedorfer Fluchtwege" sind die Fotos noch bis zum 24. Juli zu sehen.

Ebenfalls aus Afghanistan stammt Amir, der mit beiden Töchtern am Curslacker Neuen Deich wohnt. "Hier ist man sicher, und man hat Rechte", sagt der 38-Jährige, der auf der Flucht seine erkrankte Frau zunächst in Belgien lassen musste. Erst vor einem halben Jahr kam sie nach Deutschland, nach Neumünster: "Wir können sie leider bloß alle zwei bis drei Wochen sehen."

Alleinerziehend ist auch Farima, die mit ihren Söhnen aus Afghanistan kam. "Mein Vater wurde von den Taliban ermordet. Er arbeitete in der Finanzbehörde und besaß zudem Land", sagt sie - als wäre das eine logische Erklärung. Die 37-Jährige kam über Pakistan und den Iran bis in die Türkei. "Von da sind wir in einem Schlauchboot nach Griechenland. Das Wetter war sehr schlecht. Wir hatten Todesangst", erinnert sich die Frau, die froh ist, in Deutschland zu sein - "auch wenn mich die Leute immer wegen des Kopftuchs anschauen".

Auch zwei Syrer werden in der Fotoausstellung porträtiert. Da ist etwa Ibrahim, der Lkw-Fahrer war und eine kleine Reifenwerkstatt hatte. "Ich war auch Bildhauer", sagt der Kurde, der gern wieder in eine friedliche Heimat zurückkehren würde: "Früher konnte man in Syrien gut leben." Jetzt aber möchte Ibrahim Teil der deutschen Gesellschaft werden, am liebsten als Künstler: "Ich würde gern die öffentlichen Plätze in Bergedorf mit meinen Statuen schmücken."

Wie Ibrahim stammt auch der 31-jährige Juan aus Al-Hassaka im Norden Syriens: "Da war kein Leben mehr, nur noch Krieg." Als sein Schwager versuchte, in die Türkei zu fliehen, habe man ihm beide Beine gebrochen: "Das waren Regierungssoldaten." Heute lebt Juan mit seiner Frau und der kleinen Tochter in einem Bergedorfer Container - und hatte doch gehofft, hier Arbeit zu finden oder eine Wohnung. "Aber es klappt nicht. Es ist, als gäbe es in ganz Deutschland keine Wohnungen." Am liebsten würde er wieder sein Studium der Wirtschaftswissenschaften aufnehmen - oder als Buchhalter arbeiten. Seine Frau sucht Arbeit als Erzieherin, "aber wir warten erst auf die Aufenthaltsgenehmigung, damit wir einen Deutschkurs machen können".

Eigentlich sei Syrien ja das Paradies gewesen. "Wenn es besser wird, bin ich schnell wieder in meiner Heimat", meint Juan. Aber für diese Hoffnung braucht er Geduld: "Wir fürchten, dass ein Leben in Syrien erst wieder in 20 Jahren möglich sein wird."