Bergedorf
(he).
Mit wachsendem Druck versucht derzeit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), die elektronische Gesundheitskarte (eGK) durchzusetzen. 2003 wurde sie auf den Weg gebracht. Mehrfach wurde die zunächst für 2006 angekündigte Einführung ausgesetzt oder verschoben, weil sie in Praxistests nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt hat. Seit Anfang des Jahres ist die mit Passfoto und Speicherchip versehene eGK tatsächlich verpflichtend. Der Widerstand bleibt dennoch groß, fürchten doch etwa Mediziner eine Rationierung von Krankenversicherungsleistungen durch die Hintertür.

Bislang bietet die Karte kaum Informationen, die über die Vorgängermodelle hinausgehen. Versicherte kritisieren, die für die Karten vorgesehenen Daten zu Krankheiten, Behandlungen, Medikamenten und Unverträglichkeiten würden sie zu gläsernen Patienten machen.

Was wäre etwa, wenn ein künftiger Arbeitgeber beim Vorstellungsgespräch die Herausgabe der Karte einfordert? Und dort Angaben zu einem früheren Burn-out, psychiatrischer Behandlung oder einer chronischen Krankheit vermerkt sind? Wie könnte verhindert werden, dass solche Daten im Internet kursieren, und dann etwa in Lebensversicherern dankbare Abnehmer finden?

Mit dem jüngst verabschiedeten E-Health-Gesetz und mit Anreizen, Fristen und der Drohung von Strafzahlungen macht die Politik Druck auf die Ärzte. Aktive halten mit der Aktion "Stoppt die e-Card" dagegen.

Abgesehen von fortbestehenden Zweifeln am Datenschutz (Titelseite) wachsen Befürchtungen, eine bessere Vernetzung im Gesundheitswesen habe vor allem das Ziel, Kosten zu sparen und die Behandlungsfreiheit einzuschränken. Das fürchten Mediziner wie die Neuallermöher Hausärztin und Vertreterin der Freien Ärzteschaft, Dr. Silke Lüder. "Die Krankenkassen haben Riesensummen für die E-Card ausgegeben, und bislang ist für sie wenig dabei herausgekommen. Jetzt wollen sie die Chance ergreifen."

Alarmiert reagieren die Ärzte auf Äußerungen von Krankenkassen-Spitzenvertretern auf einer Pressekonferenz in Berlin Mitte Juni. So erklärte Johann-Magnus von Stackelberg, Vize des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), über die Gesundheitskarte könne eine "gezielte Nutzungssteuerung bei neuen Arzneimitteln erwogen werden". Neben Geschlecht und Alter könnten auch Gen-Analysen zur Bewertung herangezogen werden. Vorstellbar wäre demnach, dass nicht mehr die behandelnden Ärzte im Einzelfall, sondern der Medizinische Dienst der Krankenkassen grundsätzlich festlegt, welche Patienten welche von den Kassen bezahlten Medikamente bekommen - und welche nicht. Die eGK sehen dabei Experten als geeignete Plattform, dies festzuhalten. Oder zumindest für einen verschlüsselten Austausch zwischen Krankenkassen und den behandelnden Ärzten.