Von André Herbst

Bergedorf.
Neuer Wohnraum für rund 20 000 Menschen, neue Gewerbe- und Industrie-Gebiete auf mehr als 160 Hektar zwischen Hammerbrook und Bergedorf. Außerdem Wildwasserkanal und Skilift auf dem Schlickhügel Feldhofe und eine Triathlon-Strecke an dem seit fast ein Jahrzehnt für Schwimmer gesperrten Eichbaumsee: Der von der Handelskammer Hamburg präsentierte Masterplan Bille-Achse ruft Reaktionen hervor. Angesichts der Größenordnung von gut 440 Hektar sprechen Hamburger Politiker von "Gigantomanismus". Oder "Stadtplanung der 70er-Jahre", wie SPD-Stadtplanungsexperte Dirk Kienscherf.

Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, hält dagegen. Mit Blick auf Hamburgs verhältnismäßig geringe Bevölkerungsdichte moniert er, die Elb-Metropole sei "Weltrekordhalter in Dünnsiedelei".

Für manchen Politiker besteht tatsächlich die Gefahr, dass manche unbedachte Äußerung auf ihn zurückfällt: Wo etwa die Handelskammer auf den Billwerder Wiesen neue Dörfer für Familien fordert - "Wohnen mit Gartenbezug" -, bestehen alte Pläne: Die seinerzeit politisch abgesegnete Größe und Bebauungsdichte ließ Oberbillwerder in der Öffentlichkeit zu "Ballermöhe" mutieren.

Die fast 20 Kilometer lange Bille-Achse zwischen Hammerbrook und Bergedorf sieht die Handelskammer als letzten Raum, in dem Hamburg großflächig Entwicklungen vorantreiben kann. Allein auf Reaktivierung von Brachflächen für Gewerbe zu setzen oder auf Nachverdichtung in Wohngebieten, werde der Aufgabe nicht gerecht, die wachsende Stadt zu fördern. Wobei sich die Kammer gelegentlich verheddert. Die Vier- und Marschlande würden nicht berührt, heißt es in ihrem 116-Seiten-Papier. Das ist falsch: Mit Billwerder, Moorfleet und Allermöhe nimmt der Masterplan das Landgebiet nördlich der Dove-Elbe komplett ins Visier.

Wie 2011 operiert die Handelskammer 2015 mit Zahlen zum Bevölkerungswachstum, die weit oberhalb der Prognose des Statistikamtes Nord liegen. Während dieses ein Ende des Wachstums bei 1,86 Millionen Einwohner im Jahr 2017 vorhersagt, setzt die Kammer auf weiteren starken Zuzug - obwohl die Zahl der Hamburger wieder wächst, die ins Umland abwandern. Bis 2030 könne Hamburg auf bis zu 2,28 Millionen Menschen wachsen, wenn dieses verhindert werde: Ein Wachstum in dieser Größe sei jedoch nur realistisch, "wenn in entsprechendem Umfang Wohnraum und Arbeitsplätze - und die für sie nötigen neuen Flächen - zur Verfügung gestellt werden", mahnt die Kammer.

Tatsächlich versucht die Interessenvertretung von Handel und Industrie, Hamburgs Politik vor sich herzutreiben. Tenor: Das eher kleinteilige Konzept des Senats für mehr Industrie- und Gewerbeflächen in Billbrook und Stärkung der Wohnquartiere von Hammerbrook bis Billstedt greift aus Sicht der Kammer zu kurz - Hamburg soll weiter deutlich wachsen.