Von Anne K. Strickstrock

Neuallermöhe
. Mit dem kleinen Maik zu spielen oder ihn richtig toll zu bekochen - das macht Franzisca Brandt wirklich gern und gut. Bloß wenn der Dreijährige quengelig wird, fühlt sich die Mutter gestresst: "Manchmal schreie ich dann auch zu laut", sagt die 25-Jährige - und ist froh, dass sie inzwischen weiß, wie sie ruhig um Hilfe rufen kann. Denn Franzisca Brandt wohnt bei der Alsterdorf-Assistenz an der Walter-Becker-Straße. Hier kümmern sich 15 Erzieher rund um die Uhr um derzeit elf Familien. Und so wachsen im "Tandem"-Projekt derzeit 13 Kinder (zwei bis acht Jahre) auf, deren Eltern psychisch eingeschränkt sind und Lernschwächen haben.

"Wir waren vor 17 Jahren bundesweit die erste Einrichtung, die Menschen mit doppeltem Unterstützungsbedarf aufgenommen haben", sagt Erzieherin Elfie Ruzanska. Die 60-Jährige erläuterte zuletzt dem Stadtteilbeirat, dass der Bedarf für die Begleitung von Eltern mit Behinderung immer größer wird: "Uns erreichen zwei Anfragen pro Woche, wir könnten gut ein zweites Haus eröffnen. Denn wer auf der Warteliste steht, muss mindestens ein Jahr Geduld haben." Aber es könne doch keine optimale Alternative sein, wenn die Kinder in Pflegefamilien kämen, so die Erzieherin: "Schließlich sieht die UN-Menschenrechtskommission vor, dass alle Menschen ein Recht darauf haben, Eltern zu werden."

Wie heiß darf die Milch sein? Brauchen Dreijährige noch eine Rassel? Anfangs sind viele Eltern überfordert. Sie müssen lernen, Wäsche zu waschen, die Küche sauber zu halten, mit ihren Kindern zu sprechen und mit ihnen Bücher anzugucken - auch, wenn Mama oder Papa nicht lesen können. Und es braucht vom morgendlichen Zähneputzen bis zum gemeinsamen Abendessen einen strukturierten Tagesablauf. Meist besuchen die Kleinen einen Kindergarten, während ihre Eltern als Alstergärtner arbeiten, als Hausmeister oder in der Verpackung und Montage. Nach zwei bis fünf Jahren reicht meist eine ambulante Betreuung, können die Familien also allein wohnen - wenn sie denn eine Wohnung fänden.

"Wir wollen jetzt mit Wohnprojekten kooperieren. Die Hausgemeinschaft im ehemaligen Rieges Gasthaus möchte zwei Familien von uns in Ochsenwerder aufnehmen", freut sich Elfie Ruzanska. Sie räumt aber Schwierigkeiten ein: "Unsere Eltern werden beispielsweise nie einen Führerschein haben."

Und sie werden nie vergessen, dass sie selbst als Kind vielfach vernachlässigt oder gar misshandelt worden sind. Das soll ihrem geliebten Nachwuchs nicht widerfahren. Der soll stark und selbstbewusst werden. So wie das Mädchen, das mal sagte: "Meine Mutter ist anders. Und für mich ist das normal und gut so." Dass nicht Mama, sondern ein "persönlicher Assistent" ihr das Schwimmen und Radfahren beigebracht hatte, war gar nicht so wichtig.

"Für mich ist das normal und gut so" Eine Tochter