Von Gerrit Pfennig

Bergedorf.
Diese Kröte musste er schlucken. Noch vor wenigen Monaten gehörte Bundesjustiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) zu den erklärten Gegnern der Vorratsdatenspeicherung. Den Besuchern im Gewerkschaftszentrums bot sich am Donnerstagabend dagegen ein anderes Bild: Maas warb eindringlich für den Gesetzesentwurf - gewünscht habe er ihn sich jedoch nicht.

Der Minister kam auf Einladung des SPD-Bundestagsabgeordneten Metin Hakverdi nach Bergedorf. Thema: "Chancen und Risiken der digitalen Gesellschaft". Diese Überschrift traf es am Ende nicht - beriet doch der Bundestag gestern in erster Lesung über die Gesetzesvorlage der Regierung zur Vorratsdatenspeicherung. Maas steckte dabei Prügel auch von der eigenen Partei ein, wurde von der Opposition als "Umfaller" beschimpft (Seite 2).

Auch die Bergedorfer hielten mit ihrer Kritik nicht hinterm Berg. Sie fragten sich, wie sich die Gesinnung des Ministers so schnell wandeln konnte und äußerten starke Bedenken, weil die Telefonanbieter nach der Gesetzesvorlage ohne konkreten Tatverdacht über zehn beziehungsweise vier Wochen Festnetzverbindungen und Handy- Standortdaten speichern sollen.

Maas schob den Schwarzen Peter dem Koalitionspartner CDU zu: "Natürlich wäre es mir am liebsten gewesen, wir würden gar kein Gesetz machen." Es handele sich dabei jedoch um einen Kompromiss, den kleinsten gemeinsamen Nenner. Hintergrund sei die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die alte Form der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland 2010 gekippt hatte.

Momentan gebe es bei der Datenspeicherung einen Wildwuchs, so Maas. "Es gibt Provider, die speichern die Daten drei Wochen lang, andere sechs Monate, wieder andere speichern sie aus Kostengründen gar nicht." Er betonte die Bedeutung der Speicherung für die Aufklärung von Kapitalverbrechen wie Mord, Totschlag und Kindesmissbrauch. Zudem müssten die Anbieter nach der Gesetzesvorlage die Daten getrennt von den Vertragsdaten auf einem eigenen, gesicherten Server ablegen. Um auf diesen zugreifen zu können, bräuchte man zwei digitale Schlüssel - einen bekomme der Provider, den anderen die Behörden.

Der Minister reagierte gereizt auf die Einwände der Bergedorfer: Nach seiner Kritik an der Datenspeicherung sei er "laut von Leuten angegriffen" worden, die glauben, er würde damit die Aufklärung von Straftaten verhindern. "Und jetzt kommen Sie daher und sagen, ich wäre gegen die informationelle Selbstbestimmung", sagte Maas kopfschüttelnd.

"Die meisten Daten werden von Konzernen wie Google und Facebook gesammelt. Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre", betonte der SPD-Politiker. Möglich sei dies, da niemand die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) lese. "Das tue ich auch nicht", so Maas. Zu groß sei der Zeitaufwand - deshalb sei die Europäische Union gefordert, die Praktiken dieser digitalen Unternehmen einzudämmen.