Von Thomas Voigt

Bergedorf.
"Die Hauni Maschinenbau AG ist kein Sanierungsfall. Unser Standort Bergedorf bleibt zukunftsfähig. Die langfristige Auftragslage zwingt uns aber zu diesem schmerzlichen Einschnitt. Wir werden ihn mit Anstand und sozialer Verantwortung vollziehen." Mit diesen Worten schloss Hauni-Vorstand Christopher Somm den 45-minütigen Lagebericht. Gemeinsam mit Hauni-Finanzvorstand Jürgen Spykman informierte Somm am Donnerstagabend den Hauptausschuss der Bezirksversammlung über Sachstand und Hintergründe beim krisengeschüttelten größten Arbeitgeber Bergedorfs. Das Geschäftsfeld Tabak der Körber AG plant weltweit den Abbau von 800 Arbeitsplätzen, davon, wie berichtet, 500 bei Hauni in Bergedorf und etwa 100 bei den beiden Hauni-Tochtergesellschaften in Schwarzenbek.

"Wir rechnen in den kommenden Jahren mit 35 Prozent weniger Umsatz als im Rekordjahr 2014", erklärte Somm den Lokalpolitikern. Bereits im August 2014 gab es nach seinen Worten einen massiven Einbruch bei den Aufträgen für 2015 und die Folgejahre, und abgesehen von einer kurzen Belebung im November und im Dezember 2014 hat sich Hauni von diesem niedrigen Niveau nicht wieder erholt. Der massive Einbruch werde sich bereits im Körber-Konzernergebnis 2015 teilweise widerspiegeln.

"Hauni ist Zulieferer der Zigarettenindustrie, und Zigarettenrauchen verliert weltweit an Popularität", nannte Spykman die Hauptursache. Gesundheitskampagnen und immer schärfere gesetzliche Regularien bei Werbung und Verpackung hätten in USA und Europa seit Jahren für rückläufige Märkte gesorgt. Asiatische Wachstumsmärkte wie China und Indonesien aber hätten dies in der Vergangenheit stets überkompensiert. Doch damit ist laut Spykman nun Schluss: "Auch dort senken breit angelegte Kampagnen den Zigarettenkonsum, und der Bedarf an unseren Produktionsanlagen ist vorerst weitgehend gedeckt. Nicht zuletzt, weil Großkunden Fabriken schließen und die dortigen Maschinen und Anlagen an andere Standorte verschieben, gibt es Überkapazitäten."

Erstmals ist im vergangenen Jahr der weltweite Zigarettenkonsum gesunken, wenn auch nur um 0,2 Prozent. Von ehemals 630 Zigarettenfabriken auf dem Globus wurden mehr als 30 bereits geschlossen oder stehen kurz davor. Dennoch rechnet Christopher Somm damit, dass Haunis Durststrecke in vier bis fünf Jahren überwunden sein wird: "Dann sind die Überkapazitäten abgebaut, die Maschinen fünf Jahre älter und müssen nach und nach erneuert werden. Nach wie vor werden 6300 Milliarden Zigaretten jährlich produziert und konsumiert."

SPD-Vertreterin Dagmar Strehlow mochte das nicht glauben: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Zigarettenmarkt überhaupt noch eine Zukunft hat." Auch Fraktionskollege Paul Kleszcz fragte nach, wo denn für Hauni die Perspektiven in der Branche liegen könnten. Vorstand Christopher Somm hatte eine Antwort parat: "Bisher hat unser Geschäft auf drei Säulen gestanden: Erstens Volumensteigerung bei Zigaretten und Filtern, zweitens Ersatzinvestitionen für alte Maschinen und Anlagen und drittens Wachstum durch innovative technologische Lösungen. Auch das Service-Geschäft wurde systematisch weiterentwickelt." Das Volumen-Wachstum falle nun weg, denn der Weltmarkt wächst nicht mehr. "Was aber bleibt, sind die Ersatzinvestitionen für alte Maschinen und unsere umfangreichen Serviceleistungen für die Tabak- und Zigarettenindustrie. Und unsere innovative Kraft. Stellen Sie sich einmal vor, wir entwickeln eine Produktionsanlage, die fünf Prozent Tabak einspart. Dann fliegen förmlich die Bestellungen bei uns ein."

Den jetzigen Personalstand über die mehrjährige Durststrecke zu halten, würde nach Angaben der Vorstände die Hauni AG und den Körber Konzern überfordern. "Wenn wir nicht umstrukturieren, verlieren wir unsere Wettbewerbsfähigkeit", so Jürgen Spykmans Argument gegenüber dem Gremium. Ernst Heilmann (Linke) wollte wissen, wie die Hauni denn bei einem Abbau von 500 Stellen allein in Bergedorf das fachliche Know-how am Standort halten wolle. "Das ist tatsächlich nicht einfach", räumte Christopher Somm ein, bekräftigte aber die Absicht, die Zahl der harten Kündigungen so gering wie möglich zu halten: "Wir hoffen, dass wir einen beträchtlichen Teil des Stellenabbaus, möglicherweise mehr als 200, durch freiwillige Lösungen wie Altersteilzeit stemmen können. Anfang dieser Woche hat der Interessenausgleich mit den Arbeitnehmervertretern begonnen."

Ernst Heilmanns Anregung, die hohe Kompetenz der Hauni beim Maschinenbau in anderen Geschäftsfeldern als der Tabakindustrie einzusetzen, war für Christopher Somm nicht neu: "Das haben wir mehrfach versucht und uns bisher immer eine blutige Nase geholt. Unsere Produktionsstraßen sind sehr präzise und aufwendig wegen der hohen Prozessgeschwindigkeiten. Top-Maschinen produzieren bis zu 330 Zigaretten pro Sekunde. In der Lebensmittelproduktion etwa wird eine solche Taktung bei Weitem nicht benötigt, dort sind wir mit unserer Hochtechnologie schlichtweg zu teuer."

Grüne und Linke fragten auch nach der Zukunft der bislang vorbildlichen und mehrfach prämierten Ausbildung. Laut Spykman soll es hier qualitativ keinerlei Einschränkungen geben: "Die jungen Nachwuchskräfte sind unsere Zukunft, und wir nehmen diese Verantwortung ernst. Die Zahl unserer Auszubildenden von derzeit 160 werden wir aber vermutlich sukzessive um zehn bis 15 Prozent senken."

Ausschuss-Chef Werner Omniczynski (SPD) fragte pragmatisch: "Bedeutet der Stellenabbau bei Hauni auch, dass Sie an der Kurt-A.-Körber-Chaussee Flächen freigeben, mit denen der Bezirk bald planen kann? Somm und Spykman verneinten.

Auf Anfrage der bz äußerte sich Somm auch zu der früheren Entscheidung der Hauni, auf dem Areal der Glasbläserhöfe ein Schulungszentrum zu errichten: "Wir haben derzeit wichtigere Baustellen, aber bei den Glasbläserhöfen sind wir an unsere Verträge gebunden. Die Sache läuft - auch als wichtiges Element unserer Kunden- und Zukunftsorientierung - wie geplant weiter."

"Was bleibt, sind unsere Serviceleistungen" Vorsdtand Christopher Somm über den Zukunftsmarkt