Von Anne K. Strickstrock

Bergedorf-West.
"Du kannst dich nicht einfach darauf ausruhen, dass du 'ne schlechte Kindheit hast. Du musst lernen und irgendwie einen Schulabschluss oder eine Lehre schaffen." Wie Mantras klingen solche Sätze, die Holger Ramm beinahe täglich sagt - zu den coolen Kids mit den Schlabberhosen und Basecaps, mit den überschminkten Augen und Glitzer-Handtaschen. Zum Alltag im Jugendzentrum Pink Haus gehört auch, dass die Jugendlichen hier nicht als "Gettokids" abgekanzelt werden: "Wir wollen sie selbstbewusst machen und aufs Leben vorbereiten", sagt der 56-jährige Sozialpädagoge.

All das geht natürlich nur, wenn man vertrauensvoll chillen kann und keinen besonderen Grund braucht, um am Oberen Landweg 2 vorbeizuschauen - natürlich ohne Anwesenheitskontrolle wie in der Ganztagsschule. "Ich komme wegen des Fitnessraums und der netten Atmosphäre", sagt der 17-jährige Daniel und lässt sogar die Hausaufgabenhilfe nicht unerwähnt. Sein Kumpel Ajdin (16) ist begeistert, dass man ihm das Pianospielen beibringt. Und einer, der seit Jahren täglich im Pink Haus ist, meint: "Hier kennt jeder jeden. Und man sieht auch die Folgen, wenn einer Scheiße baut."

Genau vor 30 Jahren war der Slogan "Menschen statt Mauern" modern, wurde das geschlossene Kinderheim für 1,5 Millionen Mark zum Jugendzentrum umgebaut. Auf 1400 Quadratmetern trafen sich anfangs vorwiegend junge Männer aus türkischen Familien, sagt Holger Ramm, der vor 29 Jahren dazukam: "Als Gegenlager zu den Lohbrügger Neonazis trafen sich hier die 'Grünen Bomber Bergedorf-West'", erinnert er die Zeit rivalisierender Banden.

Inzwischen ist es ruhiger geworden. Toleranz, Respekt und Orientierung bieten, das sind die großen Stützpfeiler vom Pink Haus, das täglich von 40 bis 80 Gästen besucht wird - von Grundschülern bis hin zu Leuten, die schon Mitte 20 sind. Der Rapper Samy Deluxe ist hier ebenso groß geworden wie Musiker der Band Deichkind. Seit 1989 gibt es schon die Probenräume im Keller, beim Drogenpräventionsprojekt "Lass 100 Steine rollen". Inzwischen kamen die Beratungen vom "F.aktiv" dazu, und mit den "Nestlotsen" sind auch junge Mütter im Haus. "Niedrigschwellig" ist das Zauberwort, bei dem weder ein Termin noch ein Fall-Management nötig ist.

Schon um 13.30 Uhr stehen die Schulschwänzer auf der Matte, manchmal bleiben sie bis 21.30 Uhr - und keine Mutter kümmert sich darum. "Wir sind authentische Lebensbegleiter und fangen im Haus das auf, was in den Familien nicht gelingt", sagen die drei Erzieher und betonen immer wieder, wie wichtig auch die Ferienfahrten sind. Wie zuletzt die Ski-Freizeit: Das ist eine geniale Gruppendynamik, wenn der sonst obercoole Sportler plötzlich Angst vor dem großen Berg zeigen darf.

Und bei allen Unterschieden feiern wieder alle zusammen, etwa den "Frühlingszauber" am 6. Juni, wenn von 13 bis 18 Uhr viele Spiel- und Sportstände am Oberen Landweg aufgebaut sind.