Von Anne K. Strickstrock

Bergedorf.
Sie können zwischen Bilderbüchern, Lexika und der "erlebten Architekturgeschichte" stromern, sich durch Heimatkunde blättern oder wissenschaftliche Fachbücher für ihr Referat suchen: Die Schüler der Stadtteilschule am Ladenbeker Furtweg (GSB) genießen seit September 2009 ihre mit 10 000 Medien gefüllte Bibliothek, deren Bau und Ausstattung einst 500 000 Euro kostete. Das erstaunt sogar den Gesandten eines arabischen Scheichs.

London, Paris, Bergedorf: Rashid Mohamed Al Kous ist Generalmanager des Vereins "Knowledge without Borders" (Bildung ohne Grenzen) und reist durch Europa, um Ideen zur Leseförderung zu sammeln. Sein Chef ist der Sultan bin Muhammad al-Qasimi (75). Seit 1972 ist er Herrscher im bevölkerungsmäßig drittgrößten der sieben Arabischen Emirate, in Sharjah, die sich zuletzt "Hauptstadt der islamischen Kultur 2014" nennen durfte.

Gestern besuchte Al Kous die GSB-Bibliothek - und erzählte aus seiner Heimat, in der gut 30 000 Familien (ca. 950 000 Menschen) leben: "Der Scheich hat ein Bildungsprogramm aufgelegt und will allen Haushalten eine private Bibliothek mit 50 Büchern schenken. 20 000 Familien wurden bereits ausgestattet, erst in abgelegenen Dörfern, danach in den Städten." Umgerechnet 38 Millionen Euro stünden dafür zur Verfügung.

"Sind es auch Bilderbücher, politische und belletristische Werke?", wollte GSB-Bibliothekarin Katrin Jürgens wissen. Ja, der Scheich lege großen Wert auf umfassende Bildung. Und darauf, dass die Araber ihre Muttersprache lernen. Zwar bestehe Schulpflicht, liege die Quote der Analphabeten bei nur zwei Prozent, doch: "Andere Sprachen haben sich massiv etabliert, etwa durch englische Privatschulen. Oder durch unsere Kindermädchen, die meist aus Sri Lanka oder von den Philippinen stammen", erklärt Al Kous. Er wünscht sich, dass Eltern ihren Kindern wieder mehr vorlesen: "Daher haben wir auch angefangen, in den Bezirken öffentliche Bücherhallen zu gründen."

Aber da die Emirate erst 43 Jahre alt seien, sei man weltweit auf Entdeckungsreise, um gute Lesekonzepte zu finden. In Deutschland schuf er Kontakt zu der in Palästina geborenen Naimeh Hollmann von der Gesellschaft für deutsch-arabische Begegnung. Die pensionierte Studienrätin bekam wiederum vom Hamburger Verein "Seiteneinsteiger" die Empfehlung, dem arabischen Gast die GSB-Bibliothek zu zeigen.

Schulleiter Thimo Witting erläuterte, dass zwei Festangestellte und 20 ehrenamtliche Eltern dabei helfen, die Bibliothek von 8 bis 16 Uhr zu öffnen - mit einem großen Ziel: "Wir wollen Bildung unabhängig machen von der sozialen Herkunft oder der Muttersprache der Eltern." Und auch bilinguale Bücher seien sehr willkommen, etwa die deutsche Übersetzung von dem Buch, das der Scheich 2012 geschrieben hat. Es trägt den Titel "Stürmische Zeiten. Meine ersten Jahre als Herrscher 1971-1977".

"Das liest sich sehr interessant", sagt sein Gesandter Al Kous: "In Deutschland wissen zwar viele Leute etwas über den Islam, leider aber nur wenig über unsere Emirate."