Bergedorf
(mvd).
Viele Jahre haben sie sich nicht gesehen, jetzt haben sie sich in Bergedorf wieder getroffen. Doch in romantisch verklärten nostalgischen Erinnerungen mochten die neun Herren, die sich zum Klassentreffen nach 70 Jahren vor dem Bergedorfer Bahnhof einfanden, nicht unbedingt schwelgen. Die Einschulung von Uwe Priess, Günther Brammerloh, Gerd Stiegert, Heiner Jelinski, Heinz-Herbert Dammert, Siegfried Völker, Heinz Dreckmann, Peter Stahnke und Rolf Siemers fiel schließlich in das Jahr 1945, die Stunde Null nach dem Zweiten Weltkrieg.

Dennoch, "trotz Krieg und Rohrstock, alle haben es zu etwas gebracht", sagt Heiner Dreckmann. Sie sind Außenhandelskaufmann, Maurer, Bauingenieur, Kaufmann, Bankkaufmann, Sozialversicherungsfachangestellter, Zollbeamter, Kommunikationstechniker und Elektriker geworden. Und alle bis auf Rolf Siemers, der seit 1982 in Australien lebt, sind sie in Bergedorf, Hamburg oder den umliegenden Städten und Gemeinden geblieben.

Am 16. Oktober 1945 wurden sie zusammen erst in der Schule Am Brink eingeschult und wechselten dann 47/48 an den Birkenhain, wo das Gebäude bis zu dem Zeitpunkt noch als Lazarett diente.

Einer besaß nicht mal einen Ranzen. Ein anderer hatte kein Taschentuch. Und Essen gab es hauptsächlich in der Schule: Eine äußerst unangenehm schmeckende Sojabohnensuppe von den englischen Soldaten. Etwas besser hatten es die Unterernährten von ihnen. Für die gab es das so genannte Schwedenessen, von schwedischen Staatbürgern gespendete Graupensuppe mit Rosinen.

Viele ihrer Väter sind gefallen oder waren in Kriegsgefangenschaft. Rolf Siemers etwa hat seinen Vater nie kennengelernt. Er wurde 1939 geboren und der Vater starb 1942 im Krieg. Die Not vieler Familien war groß, es gab keine Kleidung. Und um heizen zu können, musste man Kohlen am Südbahnhof klauen oder heimlich in den Sander Tannen Bäume fällen.

Dennoch teilen die neun auch schöne Erinnerungen an ihre Schulzeit, besonders an ihren engagierten Klassenlehrer Heinrich Meyer. Doch auch von dem tollen Lehrer setzte es, wie damals üblich, nicht selten ordentlich was mit dem Rohrstock. Für alle. Nur, da sind sie sich einig: "Ihm tat das bestimmt mehr weh als uns." Meyers Standardspruch, bevor er ausholte, war stets "so leid es mit tut, das muss jetzt sein".