Neuallermöhe
(stri).
Breakdancer, Cheerleader, Hip-Hopper und Schauspieler erstürmen die Bühnen der Gretel-Bergmann-Schule, wenn am Mittwoch, 20. Mai, wieder der "Tag der Talente" gefeiert wird. Von 10.30 Uhr an zeigen die Kids an der Margit-Zinke-Straße, was sie drauf haben, auch auf der Rollenrutsche, an der Kletterwand und im Zirkuszelt. Dass Selbstbewusstsein und Bildung eine fruchtbare Symbiose ergeben, ist an der Stadtteilschule selbstverständlich, betont Lehrer Tom Greiff: "Wir wollen nicht nur Wissen vermitteln, sondern arbeiten sozial, pädagogisch und kreativ."

Scheinbar tausend Talente hat Marie Caspersen aus der 11. Klasse. Die 17-Jährige zeichnet nicht nur fantastisch "seit sie einen Bleistift halten kann", sagt deren Mutter. Marie spielt auch Querflöte, Klavier und Keyboard, hat sich das Gitarrespielen selbst beigebracht und schreibt gleich dazu die passenden Pop-Balladen. Die waren bereits auf der Wentorfer Kulturwoche und der Bergedorfer Hafenmeile zu hören - natürlich live, denn Marie greift selbst zum Mikrofon. Ihre Text-Ideen findet sie zufällig, etwa, wenn sie einen Film guckt: "Dann überlege ich, wie die Schauspielerin sich gerade fühlt und ob das im Film auch gut zum Ausdruck kommt. Und so schreibe ich meine Fantasie eben auf."

Auf größeres Publikum hofft Marie, wenn sie im September mit dem kanadischen Profimusiker Paul O'Brien bei dessen Tournee in Hamburg auftreten darf. "Vielleicht proben wir vorher sogar ein zweistimmiges Stück ein", hofft die Neuallermöherin, die aber längst nicht nur Musik im Kopf hat: Sie liebt Video-Drehs, übt seit 15 Jahren Ballett und ist ehrenamtlich in der Franz-von-Assisi-Kirche aktiv: "Ich bringe den Konfirmanden die Bibel näher, diskutiere mit ihnen, und wir machen Theaterstücke."

Von Rampensau oder Rotzgöre ist das eher zurückhaltende Mädchen weit entfernt. Allein das Reisen erdet sie, etwa der zehntägige Schüleraustausch in Israel. Oder der Besuch einer peruanischen Akrobatikgruppe: "Durch unseren Gast habe ich nicht nur Spanisch gelernt, sondern auch, dass die zu Hause kein Geld für Bücher haben und Bildung nicht selbstverständlich ist", sagt Marie.

Eine Begabung ist es auch, neugierig zu sein und Fragen zu stellen. "Bei uns traut man sich, mit den Lehrern zu quatschen. Wir haben ein respektvolles, aber gechilltes Verhältnis." Das bestätigen Bruder Leon (17) und die Mutter der Zwillinge: "Die sagen gnadenlos, was Sache ist und sind nicht von oben herab."

Zwar habe die Stadtteilschule "seit 20 Jahren einen schlechten Ruf" im Bezirk, so Mutter Dagmar Caspersen, "aber alle Schüler und Eltern sind begeistert". Sie erinnert sich an eine Statistik, die sie ärgerte, als die Zwillinge erst zwei Jahre alt waren: "Da hieß es, die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder von nicht akademischen Alleinerziehenden das Abitur bestehen, liege bei nur zwei Prozent." Tja, so fügt es sich also, dass ihre Tochter heute viele Talente hat - bloß sehr gut auf mathematische Formeln verzichten könnte.