Von Anne K. Strickstrock

Bergedorf-West.
Pony-Reiten, Waffeln backen und Kinderschminken sind geplant, wenn die Spieliothek ihren 40. Geburtstag feiert und für Sonnabend, 30. Mai, an den Oberen Landweg 10 einlädt. Zwischen 14 und 17 Uhr können nicht nur 1700 Gesellschaftsspiele ausprobiert werden, auch die großen Außenspiele wie Rasen-Skier, Fußballtor, Vier-gewinnt oder das Riesenmikado. Aber dennoch wird mit einem weinenden Auge gefeiert: Der gemeinnützige Verein mit seinen 100 Mitgliedern soll zum Jahresende ausziehen, um Platz für sozialen Wohnungsbau zu schaffen.

"Das ist nicht fair, wie man mit uns umgeht. Vielleicht sind wir im Rathaus bloß deshalb nicht aufgefallen, weil wir seit zig Jahren keine Sondermittel mehr beantragt haben", sagt Marianne Rissmann (75), die Vorsitzende des anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe.

Nach Vorbild der ersten Spieliothek in Quickborn waren es Fritz Walter und Christoph Mallok (SPD), die im März 1975 das Spiele-Angebot im damals noch jungen Stadtteil Bergedorf-West aus der Taufe hoben. Die ersten 18 Jahre noch an der Elternschule angesiedelt, zog die Spieliothek dann vor 22 Jahren an den Oberen Landweg, wo zu Nazi-Zeiten ein kleines Kinderheim war, danach stand das Gebäude viele Jahre leer. Und wie geht es jetzt weiter?

"Sobald der Verein signalisiert, dass er die Arbeit fortführen will, suchen wir gemeinsam nach einem neuen Standort im Stadtteil", verspricht Bergedorfs neue Sozialraummanagerin Birgit Haustein. Wobei die Spiele immerhin 65 Quadratmeter Platz haben, die Modelleisenbahn in einem 35-Quadratmeter-Raum untergebracht ist. "Und bei einem Umzug müsste die Bahn in drei Teile zersägt werden. Ein Wiederaufbau würde bestimmt ein Jahr dauern", fürchtet Marianne Rissmann.

"Platz dafür könnten wir im Dachgeschoss anbieten", will Holger Ramm vom benachbarten Haus der Jugend helfen. Allein: "Mütter mit Babys im Kinderwagen schaffen es nicht die Treppen hoch", gibt Rissmann zu bedenken. Jetzt sind Ideen gefragt, muss ausgelotet werden: Im Pavillon P 5 sind viele verschiedene Nutzer, die Elternschule im "bunten Haus" hat wenig Platz, vielleicht lässt sich mit dem Spielhaus am Friedrich-Frank-Bogen reden. Vielleicht könnten die Spiele in abschließbaren Regalen lagern, regt die Vorsitzende des Jugendhilfe-Ausschusses, Katrin Rabe (SPD), an.

Nicht nur die Spieliothek, auch der benachbarte türkische Kulturverein AKD muss neue Räume finden. "Wir sind alle aus der Fassung und wollen die Finanzbehörde bitten, die Verhandlungen abzubrechen", sagt Vorsitzender Ali Bozok im Namen von 280 Mitgliedern.

40 Wohnungen für Benachteiligte

Das aber wird kaum Erfolg haben, denn die Planungen sind weit fortgeschritten. Schon im August 2013 hatte Wolfgang Pritsching von der Sozialbehörde (Basfi) das "Housing First"-Konzept im Bergedorfer Jugendhilfe-Ausschuss vorgestellt. Die Idee zur Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit stammt aus den USA und will das Dilemma "Ohne Arbeit keine Wohnung, ohne Wohnung keine Arbeit" aufbrechen.

So sollen am Oberen Landweg 40 Einzimmer-Wohnungen in Modulbauweise entstehen, um jungen Menschen, die ihrer Pflegefamilien oder einer bezirklichen Krisenwohnung entwachsen sind, den Sprung in ein selbstständiges Leben zu ermöglichen. Die Apartments sollen nicht mehr als 327 Euro kosten. Zudem wird eine individuelle Betreuung vereinbart. Dieses Angebot von Sozialpädagogen und Psychologen wird aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) unterstützt, der jährlich 400 000 Euro für diese Zwecke bereitstellt.