Von Bettina Biester

Lohbrügge.
Das Leben in einer Großstadt sei anonym, heißt es. Häufig kennen sich nicht einmal die unmittelbaren Nachbarn. Und wenn jemand Hilfe braucht, ist er auf sich allein gestellt. Nicht so bei Karin Thomsen (76) und Ilse Burmester (77). Seit knapp 40 Jahren wohnen die alleinstehenden Rentnerinnen Tür an Tür in einem Mehrfamilienhaus in Lohbrügge - und helfen sich, wo es nur geht.

Sie lassen den Handwerker herein, wenn die andere nicht da ist, helfen sich mit Milch und Eiern aus, teilen sich eine Zeitung: Für Thomsen und Burmester sind es Kleinigkeiten, bei denen sie sich helfen. Und auch eine Selbstverständlichkeit, wie beide betonen. "Unsere Generation hat die Nachkriegszeit erlebt. Damals gab es zum Beispiel noch keine Geschirrspüler. Da hat man dem Nachbarn geholfen, wenn er eine größere Feier hatte und die Teller nicht in der Spüle klappern sollten - und diese Hilfe praktizieren wir noch heute", versucht Thomsen eine Erklärung.

Wie wichtig dieses einander Helfen und aufeinander Achtgeben sein kann, haben die Rentnerinnen bereits erlebt. Als es Burmester kurz vor Weihnachten gesundheitlich nicht gut ging, sie nicht in der Lage war aufzustehen, war es ihre Nachbarin, die zunächst Hilfe leistete und Burmesters Tochter alarmierte. "Auch in Notfällen sind wir eben füreinander da", betont Thomsen.

immowelt.de
So selbstverständlich wie für die beiden Lohbrüggerinnen ist Nachbarschaftshilfe in Deutschland nicht. Laut einer Umfrage von

Diese Einstellung populärer zu machen, haben sich auch Franzis Meier und Ralph Szeymies auf die Fahnen geschrieben. Beide engagieren sich für den Stadtteil Lohbrügge, haben zum Beispiel das Modellprojekt "Leben mit Demenz in Hamburg" auf die Beine gestellt. Parallel wollen sie das Bewusstsein für das Thema Nachbarschaftshilfe schärfen. "In der modernen Welt ist es verloren gegangen, sich gegenseitig zu unterstützen. Dabei sind viele auf ihr Umfeld angewiesen, gerade wenn sie älter werden", betont Meier. So empfiehlt sie, Nachbarschaften von Beginn an zu pflegen und nicht erst zu klingeln, wenn es zu einer Notsituation kommt.

Eine Devise, die Thomsen und Burmester seit Jahren beherzigen. Mittlerweile sind sie nicht mehr nur Nachbarinnen, sondern auch Freundinnen.