Von Anne K. Strickstrock

Lohbrügge.
Wer nicht raucht, sich gesund ernährt, zudem Alkohol und Medikamente meidet, hat wohl Spaß an wissenschaftlichen Datenerhebungen. Dennoch befremden Dr. Ralf Reintjes manche Studien, etwa über Studenten, die leistungssteigernde Medikamente nehmen: "2012 hieß es, fünf Prozent bräuchten Hirndoping. Ein Jahr später erforschten Kollegen, schon jeder fünfte Student nehme Pillen", wundert sich der Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung an der Lohbrügger Hochschule (HAW).

Und kaum wurde gewahr, dass hiesige Studenten eine eigentlich wenig untersuchte Gruppe sind, deren Lebensstil aber doch Einfluss auf ihr späteres Leben hat, wurde schon eine internationale Studie veröffentlicht. Nach deren Ergebnis konsumieren deutsche Studenten weitaus mehr Cannabis (38 Prozent) als etwa Spanier, Dänen (je 6 Prozent) oder gar Türken (5 Prozent). Das konnte dem Bundesgesundheitsministerium nicht behagen. Und so wurde die Universität Bremen damit beauftragt, herauszufinden, wie ungesund die deutschen Studenten tatsächlich leben. Acht Hochschulen in allen vier Ecken des Landes, machten mit - wobei die HAW nicht gerade rühmlich auffällt.

Gut 1000 HAW-Studenten hatten sich anonym gemeldet und möglichst wahrheitsgemäß angekreuzt: In der Sparte Alkoholkonsum (dreimal pro Woche) schafften sie mit 17,3 Prozent den dritten Platz - hinter der Uni Dresden mit 26 Prozent und der Uni Mannheim mit 19 Prozent. Beim Tabakkonsum erreichten die Hamburger sogar den Spitzenplatz (25 %, also jeder vierte Student ist regelmäßiger Raucher) - gefolgt von der Uni Halle (19 %). In dieser Sparte fielen bloß die Hannoveraner vorbildlich auf (7 %), weil dort nun mal die medizinische Hochschule befragt wurde. "Aber bei unseren Leuten, die unter anderem Ernährungs- oder Gesundheitswissenschaften studieren, hätte ich auch anderes erwartet", sagt Mediziner Reintjes, der weiß, dass die Ergebnisse im September auf der Jahrestagung der Epidemiologen in Potsdam vorgestellt werden.

Jetzt aber will er es genauer wissen, denn "viele denken vielleicht bloß, die anderen würden furchtbar viel trinken und rauchen, halten das für cool und kreuzen das dann auch an. In Wahrheit aber leben die Studenten viel gesünder", hofft der Professor - und setzt auf Verhaltensänderungen in der Peer-Gruppe. Dass Nachahmungen nämlich gut funktionieren, zeigt allein das (wissenschaftlich bewiesene) Beispiel mit den Hotel-Handtüchern: Wird gebeten, "der Umwelt zuliebe" das Handtuch mehrfach zu benutzen, ist der Effekt kleiner als bei der Bitte darum, "es den anderen Gästen gleichzutun".

Alle 163 angehenden Gesundheitswissenschaftler an der Lohbrügger Hochschule waren nun gefordert und füllten Fragebogen aus. Heraus kam, dass sie überdurchschnittlich sportlich sind, viel Obst und Gemüse essen (dennoch weniger als vom Robert-Koch-Institut empfohlen), sich nicht sonderlich gestresst fühlen, aber: "Zwei Drittel betrinken sich ein- bis zweimal im Monat. Und ein Viertel gab sogar an, einmal wöchentlich mehr als fünf Gläser Alkohol zu trinken", registrierte der Professor bestürzt.

Dass er auch noch zu 17 Prozent regelmäßige Raucher unter seinen Studenten findet, die mehrheitlich weiblich (85 %) sind, fördert seiner Ansicht zufolge "deutlichen Handlungsbedarf" zutage.

Was tun also? "Auf jeden Fall möchte ich die Befragung in jedem Semester wiederholen und Veränderungen registrieren. Dazu hoffe ich, dass mir die Hochschulleitung einen wissenschaftlichen Mitarbeiter an die Seite stellt", sagt Dr. Ralf Reintjes. Mit einer Langzeitstudie möchte er auch mehr über kiffende Studenten erfahren. Und ob es bei derlei Substanzkonsum einen Zusammenhang von Rechts- oder Linkshändern gibt.

Immerhin in einem Punkt lässt es sich aufatmen: Wer in Lohbrügge Gesundheitswissenschaften lernt, raucht offenbar weniger als Studenten anderer Fakultäten.