Von Bettina Biester

Bergedorf.
Die Stunden nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal sind für Urmila Tamang Stunden der Angst. Etliche Male hat die 24-Jährige versucht, ihre Eltern über das Handy in Kathmandu zu erreichen. Doch das Telefonnetz war zusammengebrochen. Erst Stunden später die Erlösung. Ein Freizeichen. Die Stimme der Mutter, die sagt: "Alles ist gut. Wir leben."

Tamang sitzt in einem Seminarraum des Internationalen Bundes (IB), als sie diese Geschichte erzählt. Vor zwei Jahren kam die Nepalesin als Au-pair nach Deutschland, weil sie ein anderes Land, eine andere Kultur kennen lernen, eine neue Lebensperspektive finden wollte. Seit gut einem Jahr macht sie ein Freiwilliges Soziales Jahr beim IB, arbeitet im Carla-Teigeler-Haus, einer Behinderten-Wohngruppe in Bergedorf.

Von dem Erdbeben erfuhr die 24-Jährige über Facebook. Sie war gerade aufgewacht, lag noch im Bett ihres WG-Zimmers in Altona, als sie die tragische Nachricht las. "Ich war noch etwas verschlafen, konnte kaum glauben, was da stand", sagt Tamang in gutem Deutsch. Sofort versuchte sie, ihre Eltern und beiden Geschwister zu erreichen. Tränen liefen ihr über das Gesicht. Doch erst später sollte sie erfahren, dass ihrer Familie nichts zugestoßen, ihr Haus aber komplett zerstört war.

Das Elternhaus fiel zusammen wie ein Kartenhaus

"Es war ein Haus aus Zement, mit neun Zimmern und Garten", erinnert sich Tamang. Das Erdbeben der Stärke 7,8 hat es zusammenfallen lassen wie ein Kartenhaus. Seitdem lebt die Familie wie eine halbe Million weiterer Nepalesen auf der Straße, unter Plastikplanen, die der Vater notdürftig zu einem Zelt zusammengeflickt hat. Kaum ein Schutz vor dem Monsun, der in wenigen Wochen einsetzen wird, und der nächtlichen Kälte.

Und die Lage spitzt sich zu. Tamangs Mutter ist seit Tagen krank, hat eine Erkältung mit Fieber und Husten. Doch medizinische Hilfe gibt es kaum. Mindestens 260 staatliche Gesundheitszentren und Kliniken sind durch das Erdbeben zerstört worden. Hilfe aus dem Ausland kommt nur schleppend. Auch Essen und Trinkwasser sind knapp. "Wenigstens eine Decke haben meine Eltern bekommen, von den Nachbarn", weiß Tamang.

Die 24-Jährige fühlt sich ohnmächtig, weil sie nicht helfen kann: "Kurz nach dem Erdbeben wollte ich direkt nach Hause fliegen. Aber das würde nichts bringen, ich kann dort nichts machen."

Aus diesem Grund versucht Tamang, ihrer Familie nun anders zu helfen. Über den IB will sie etwas Geld sammeln. Der Träger hat dafür ein Spendenkonto eingerichtet (Commerzbank, Kontonummer: 932 498, Bankleitzahl: 500 800 00, Stichwort: "Hilfe für Urmila"). "Meinen Eltern ist zwar nichts passiert, aber sie haben kaum zu essen. Eine kleine Spende würde schon eine große Hilfe sein", betont sie. Denn auch wenn die schlimmsten Stunden der Angst vorüber sind - viele Sorgen werden bleiben.