Von Gerrit Pfennig

Bergedorf.
Sie wollten Erfahrungen sammeln und ein wenig Geld verdienen, doch für die Fliegners aus Bergedorf ging der TV-Auftritt in einer Dokusoap kräftig nach hinten los. Die Familie fühlt sich verunglimpft, die Produktionsfirma weist die Anschuldigungen zurück.

"Mein Kind, dein Kind - Wie erziehst du denn?" - so heißt die Sendung, die seit April im Nachmittagsprogramm bei Vox läuft. Zwei Elternteile, meist Mütter, treffen mit je einem Kind aufeinander. Dabei bewerten die Eltern gegenseitig ihren Erziehungsstil. Zusätzlich gibt es ein "Zuschauer-Panel" - ausgewählten Paaren und Familien wird dafür im heimischen Wohnzimmer die Rohversion im Vorhinein gezeigt. Die Kommentare dieser Zuschauer werden anschließend eingebaut.

"Ich bin da hineingeschlittert und würde so etwas nie wieder machen", erzählt Petra Fliegner. Die 41-Jährige hatte sich beworben, nachdem sie im Internet auf das Angebot gestoßen war. Nach zahlreichen Überredungsversuchen der Berliner Produktionsfirma Imago TV habe sie zugesagt. Dann gab es ein Wochenende mit vielen Drehs in Bergedorf.

Doch als die Sendung über den Bildschirm flimmerte, folgte die Ernüchterung. Tochter Emily (9) brach in Tränen aus: "Das, was da gezeigt wurde, bin ich nicht!", sagt sie. In der Schule habe es bissige Kommentare der Klassenkameraden gegeben, sogar die Lehrer hätten sie angesprochen.

Die Erklärung liegt für die Familie auf der Hand: Imago TV habe bewusst Szenen, in denen sich Petra Fliegners Erziehungsmaßnahmen positiv auswirkten, herausgeschnitten. "Es läuft sehr gut bei uns zu Hause, aber meine Tochter wird als faule Nuss hingestellt und ich als durchsetzungsschwach", kritisiert die Hausfrau. Dazu hätten die Zuschauer des "Panels" nur persönliche Kritik geübt. "Es ging nie um die Erziehung."

Imago TV weist die Vorwürfe zurück: Selbstverständlich habe man "wahrheitsgemäß über Frau Fliegner berichtet", so Christine Ledig von der Geschäftsleitung der Produktionsfirma. Man habe die strittigen Punkte bereits ausgeräumt - bei der Familie klingt das jedoch ganz anders.

Prof. Joan Kristin Bleicher, Medienwissenschaftlerin an der Uni Hamburg, warnt vor solchen TV-Formaten: "Es handelt sich nicht um eine Abbildung der Wirklichkeit, sondern um alltagsbasierte, inszenierte Unterhaltung." Produzenten und Sendern gehe es um gute Einschaltquoten und Gewinne.

Zuschauer schalteten ein, um ihr "Bedürfnis nach sozialer Normalität zu bestätigen", so Bleicher. Das gelinge durch soziale Abgrenzung nach unten oder oben - so würden Familien häufig als "asozial" dargestellt. "Man sollte intensiv die Verträge lesen", rät die Medienwissenschaftlerin. In diesem Fall könne man zumindest versuchen, die weitere Verwendung der gefilmten Szenen - etwa für Boulevard-Magazine - zu unterbinden.

Inzwischen meldete sich übrigens die andere TV-Mutter. Sie kann es nicht nachvollziehen, wie die Bergedorfer dargestellt wurden. Für die Fliegners ist das zumindest ein schwacher Trost.