Von Gerrit Pfennig

Lohbrügge.
Für die Zwillinge Monique und Madeleine Benndorff war es ein Schock: Heute, an ihrem 21. Geburtstag, sollten die jungen Frauen das Betreute Wohnen im "Homehaus" am Ladenbeker Furtweg verlassen. Mit einem Bein standen sie schon auf der Straße. Die Jugendhilfe zog in letzter Sekunde die Reißleine und verlängerte die Frist.

Das Zwillingspaar steht seit seinem elften Lebensjahr unter der Obhut des Jugendamtes und lebt seit mehr als acht Jahren in betreuten Einrichtungen - inzwischen in dem "Homehaus" in einem Waldstück in Lohbrügge. Es handelt sich dabei um eine pädagogisch betreute Wohngruppe mit elf Plätzen, die seit 2008 an diesem Standort besteht.

In vielen Punkten stehen die beiden Zwillinge mitten im Leben: So arbeitet Madeleine im Gartenbau, ihre Schwester Monique macht ihren Führerschein und absolviert eine Ausbildung zur Bauten- und Objektbeschichterin. Doch beide brauchen trotz Volljährigkeit auch Hilfe. Bankgeschäfte liegen bis heute in der Hand des Vaters Bernd Benndorff, und auch Behördengänge fallen den Frauen schwer. Das wurde ihnen jetzt offenbar zum Verhängnis.

So endete für die nun 21-Jährigen gestern Abend um 24 Uhr die Frist, bis zu der das Jugendamt die Unterbringung im "Homehaus" finanzierte. Bei den Zwillingen wuchs deshalb die Angst, am Ende schlimmstenfalls obdachlos zu werden. "Wir haben uns doch schon 30 Wohnungen angesehen, aber nie eine Rückmeldung bekommen", berichtet Monique Benndorff. Von den Betreuern im Haus fühle sie sich bei der Wohnungssuche alleingelassen. "Neben Führerschein und Ausbildung wurde mir das alles einfach zu viel", so die 21-Jährige.

Gestern lenkte hingegen die Jugendhilfe überraschend ein: Die Zwillinge dürfen doch noch zwei Wochen im "Homehaus" wohnen. Falls sich die Suche nach einer Wohnung oder Einrichtung hinzieht, kann diese Frist auch auf zwei Monate verlängert werden - vorausgesetzt, dass sie eine konkrete Aussicht auf eine neue Bleibe haben.

"Es gab in diesem Fall viele Bedürfnisse, die miteinander kollidierten", erläutert Klaus Holzrichter, Leiter der Jugendhilfeabteilung Ost. Seine Kollegen seien seit längerer Zeit in Gesprächen mit den Frauen. Das Problem: Ab dem 21. Geburtstag endet in diesem Fall die Unterstützung des Jugendamtes. Für die Unterbringung der Frauen fließt fortan kein Geld mehr. "Wir müssen aber darauf achten, dass wir unsere Plätze besetzen. Neue Bewerber warten bereits", so Holzrichter. Ihm seien an bestimmten Stellen die Hände gebunden.

Die Angehörigen der Zwillinge erheben dagegen schwere Vorwürfe gegen die Jugendhilfe. "Die Betreuer haben mir immer gesagt, sie hätten zu viel zu tun, um bei der Wohnungssuche zu helfen", sagt Katleen Jordan (24), die künftige Schwägerin der Zwillinge. Ohne die bz hätte sich in diesem Fall gar nichts bewegt, ist sie überzeugt. "Erst daraufhin ist ein Betreuer mit ihnen zum Jobcenter gegangen."

Um den Schwestern zu helfen, hat Jordan inzwischen ihr Studium hintangestellt. Statt mit der Bachelor-Arbeit beschäftigt sie sich jetzt mit Anträgen auf Eingliederungshilfe. Wer den Zwillingen eine Unterkunft anbieten möchte, kann sich bei ihr unter Tel. (040) 55 89 32 16 melden.

"Wir haben uns 30 Wohnungen angesehen, aber nie eine Rückmeldung bekommen." Monique Benndorff (21) fürchtet sich vor der Obdachlosigkeit