Bergedorf
(upb).
Es ist das Gefühl, sein Zuhause zu verlieren und alle Freunde. Davon möchte Alfred Dreckmann erzählen. Und von der Angst vor den Fliegerangriffen, vom täglichen Anblick der vielen Verstümmelten, die der Krieg vor allem mit seinen gemeinen Phosphorbomben auch mitten in Hamburg forderte. Bergedorfs ehemaliger Museumsleiter weiß noch genau, wie er das als Kind erlebt hat "und dass ich auch noch 30 Jahre danach manchmal schweißgebadet aufgewacht bin".

Berichten wird der heute 79-Jährige davon am Dienstag im KulturForum an der Serrahnstraße 1 (Eintritt: 5 Euro, Vorverkauf in der Bar Barista und im Ver.di-Büro). "70 Jahre: Befreiung vom Faschismus" hat er seinen Zeitzeugenbericht überschrieben, der als Teil der Bergedorfer Woche des Gedenkens auch zur Diskussion einlädt: Haben die heute Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft etwas aus diesem dunkelsten Kapitel Deutschlands gelernt? Wie nah ist Russlands Großmachtstreben und der Konflikt in der Ukraine?

Alfred Deckmann hat damals riesiges Glück gehabt. Als Hamburgs Bombennächte im Juli 1943 begannen, war zunächst St. Pauli im Visier der alliierten Bomberverbände, nicht die Süderstraße in Hamm, wo die Dreckmanns wohnten. "Aber meine Mutter schaute sich am Tag danach die Schäden an, weil sie sich um unsere dort wohnenden Verwandten sorgte", erinnert sich Alfred Dreckmann, der damals gerade erst sieben Jahre alt war. "Sie kam schockiert zurück. Zwar hatten meine Großeltern und auch die Tanten überlebt, aber meine Mutter war schockiert von der Zerstörungswucht der Bomben."

Entsprechend konsequent war die Reaktion der 30-Jährigen, als ihre Schwiegermutter nur zwei Tage später erzählte, dass der Feindsender "Radio London" vor einem noch weit größeren Luftangriff auf Hamburg warnt. Hella Dreckmann wartete keine Sekunde. Sie schnappte sich ihre Söhne Alfred und den vierjährigen Heiner und machte sich am 26. Juli 1943 zuerst zu Fuß, später mit dem Zug auf den Weg zu Verwandten nach Bad Oldesloe - bloß raus aus Hamburg.

"Kaum 24 Stunden später legte das 'Unternehmen Gomorrha' Hamburgs Arbeiterstadtteile Hammerbrook, Rothenburgsort und Hamm in Schutt und Asche. 31 647 Menschen starben, darunter auch alle 17 Familien aus unserem Wohnblock - verschüttet und erstickt im Keller", erinnert sich Dreckmann, der den mehrere Tage wütenden Feuersturm in Hamburg aus der Ferne gut sehen konnte. "Selbst in Bad Oldesloe bedeckte die aus Hamburg herübergewehte Asche alle Straßen und Plätze."

Für die Dreckmanns folgten vergleichsweise unbeschwerte Jahre in einem Dorf in Sachsen, bevor sie von dort im Mai 1945 vor der Roten Armee flüchten und nach sechs langen Wochen zu Fuß wieder Hamburg erreichten. 1947 zog die Familie nach Bergedorf - in das winzige Büro des aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Vaters, der an der Vierlandenstraße die Verwaltungsstelle der Hanseatischen Ersatzkasse leitete. "Ein Jahr lebten wir zu viert auf acht Quadratmetern", staunt Alfred Dreckmann noch heute. Doch für die Kinder war es eine unbeschreiblich schöne Zeit: "Wir waren wieder zusammen, hatten das zerstörte Hamburg hinter uns gelassen. Und vor allem: Wir hatten endlich Frieden."