2. Mai 1945: - Admiral Dönitz, von Hitler testamentarisch zum Nachfolger bestimmt, benennt im Hauptquartier in Flensburg-Mürwik eine sogenannte geschäftsführende Reichsregierung unter dem bisherigen Reichsfinanzminister Graf Schwerin (Regierung Dönitz). - Die deutschen Verteidiger von Berlin kapitulieren vor der Roten Armee. 3. Mai 1945: Hamburg kapituliert und wird friedlich übergeben.

Von Ulf-Peter Busse

Bergedorf/Börnsen.
Mitten im Chaos nach den Granat-Einschlägen rund um den Mohnhof am Abend des 2. Mai 1945 (siehe Text Seite 18) behielt ein Bergedorfer kühlen Kopf: Hermann Matthäs. Der ehemalige Bürgermeister war von Hamburgs Reichsstatthalter Karl Kaufmann erst kurz zuvor für genau diesen Fall ins Rathaus an die Wentorfer Straße geschickt worden.

Matthäs organisierte sofort einen Wagen, um an der jetzt bei Börnsen verlaufenden Front Kontakt zu den Briten aufzunehmen. Es sollte eine lebensgefährliche Mission werden, denn in der Eile gelang es nicht, einen Offizier der Wehrmacht dabei zu haben, den der Feind als Verhandlungsführer akzeptiert hätte. In seiner Not überzeugte Matthäs Bergedorfs Polizeikommandeur Major Lübke und zwei weitere Polizisten, ihn zu begleiten. Nur mit weißer Flagge bewaffnet, fuhren sie los. In Sichtweite der Briten passierte die nächste Panne: Der Wagen der Unterhändler wurde von deutschen Soldaten beschossen. "Die Folge war, dass die britische kämpfende Truppe mich als Parlamentär nicht anerkennen wollte", schreibt er später in einem Erlebnis-Protokoll.

Doch Hermann Matthäs gibt nicht auf. Beim ersten Kontakt mit einem britischen Posten auf der Landstraße Richtung Börnsen redet er beherzt auf die Soldaten ein. Mit Erfolg: Er wird samt Begleitern tatsächlich zum Divisionsgeneral geführt. Dort erreicht er für Bergedorf aber nur eine Atempause: Der Artilleriebeschuss wird bis 4 Uhr nachts eingestellt. Kehrt Matthäs bis dahin nicht mit einem Generalstabsoffizier aus dem Hamburger Hauptquartier zum britischen Befehlshaber nach Börnsen zurück und hat zudem den schriftlichen Befehl zum kampflosen Rückzug der deutschen Truppen aus Bergedorf in der Tasche, werde Bergedorf ab 4.01 Uhr dem Erdboden gleichgemacht.

Zurück im Rathaus ruft Matthäs sofort Karl Kaufmann an. Doch der Reichsstatthalter nimmt die britischen Drohungen nicht ernst. Er verweist auf den für 8 Uhr vereinbarten Beginn der Übergabeverhandlungen ganz Hamburgs. Damit ist in seinen Augen die Bedrohung Bergedorfs obsolet.

So locker mochte es Matthäs nicht nehmen. "Ich musste unter allen Umständen mit einem befriedigenden Ergebnis um 4 Uhr wieder bei den Briten sein", schreibt er später. Doch auch der Hamburger Generalstab lehnt ab, einen Offizier zu schicken.

Matthäs war entsetzt. Ihm blieb nichts übrig, als mit leeren Händen nach Börnsen zurückzukehren. Um 3.30 Uhr fuhr er mit Major Lübke los, ohne Rückzugsgarantie, ohne zu wissen, wie die Briten reagieren. Sein Sohn, damals zwölf Jahre alt, erinnert sich: "Nach dem gescheiterten ersten Versuch kam Vater noch einmal zu uns. Er sagte, er müsse es unbedingt erneut probieren, sonst stehe Bergedorf in Flammen. Vielleicht komme er aber nicht wieder, würde als Geisel genommen. Er schickte uns in den Keller, weil Beschuss drohte. Die ganze Nacht verbrachten wir mit Hoffen und Bangen im Keller - Vater kam tatsächlich in der Nacht nicht zurück."

Wieder setzte Hermann Matthäs sein ganzes Verhandlungsgeschick ein - und konnte den verärgerten britischen Kommandeur überzeugen, sein Ultimatum fallen zu lassen. Doch Matthäs und Lübke wurden als Bürgen festgehalten, dass bis zum Morgen kein Schuss fiel. Beide wussten, dass sie nichts garantieren konnten. Sie fügten sich aber in ihr Schicksal. In der Nacht fielen tatsächlich keine Schüsse. Um 7 Uhr wurden beide nach Bergedorf entlassen.

Auch der Einmarsch der Briten in Bergedorf sollte komplett friedlich bleiben. "Die Soldaten benahmen sich sehr anständig, von Einzelfällen abgesehen geradezu höflich", beschrieb Jost Nolte (* 2011) vor zehn Jahren in unserer Zeitung. "In der Straße Sichter fuhren vier Briten mit einem leichten Panzer vor. In Ausgeh-Uniform klopften sie, fragten: ,Have you snaps?' Als ich, damals 17 Jahre alt, das stellvertretend für meine Tante an der Haustür verneinte, gingen sie zu meiner Verwunderung einfach weiter."

Weniger erfreut waren die vielen Familien, die ihre Erdgeschoss-Wohnungen für die Einquartierung der britischen Soldaten räumen mussten. Vor allem an der Rothenhauschaussee und an der Brunnenstraße, aber auch im Villengebiet zogen für einige Jahre britische Militärs ein.