Flüchtlinge: Familie Mohamad fürchtet die Abschiebung - Online-Petition gestartet

In den frühen Morgenstunden ist Selaheddin Mohamads (48) Angst am größten. Dann werden seine Erinnerungen wach, an das Hämmern an der Tür, die Männer in den Uniformen, das Flugzeug auf dem Rollfeld. Vor zwei Monaten sollten der Kurde aus Syrien, seine Frau und die drei Kinder abgeschoben werden. Nur weil sich der Pilot weigerte, den aufgebrachten Vater mitzunehmen, konnten sie bleiben. Seitdem lebt die Familie jeden Tag mit der Angst, dass es wieder an der Tür klopfen könnte.

Die Flüchtlingsunterkunft am Curslacker Neuen Deich kurz hinter der Autobahnbrücke: Selaheddin sitzt auf einem Stuhl am Kopfende eines kleinen Couchtisches. Mit Nüssen gefüllte Teigtaschen, Kaffee und Wasser stehen darauf. "Ich bin der Vater dieser Familie, ich muss für sie sorgen", sagt der Lehrer für arabische Sprachen in gutem Englisch. Dann schließt er kurz seine dunkelbraunen Augen, schluckt und fängt an, zu erzählen - seine Geschichte von Heimat, Folter und Flucht.

Selaheddin, seine Frau Fairouz (38) und die Kinder Dalsouz (21), Amad (18) und Zackeya (13) sind Kurden. Sie stammen aus Afrin, einer Stadt etwa 60 Kilometer nördlich von Aleppo in Syrien. Seit vier Jahren herrscht dort ein blutiger Bürgerkrieg zwischen Truppen der Assad-Regierung und Kämpfern verschiedener Oppositionsgruppen. 220 000 Menschen wurden bislang getötet, etwa 11,6 Millionen von nicht mal 20 Millionen sind auf der Flucht - so wie Selaheddin und seine Familie.

Der Lehrer für arabische Sprachen ist Regimekritiker, hat auf der Straße protestiert. "Gegen Präsident Assad, seine Diktatur, das unmenschliche System", wie Selaheddin sagt. Drei Jahre saß er deswegen im Gefängnis, wurde jeden Tag mehrere Stunden verhört, immer wieder gefoltert. Seine Familie wusste lange Zeit nicht, wo er war, ob sie ihn jemals wiedersehen würde. Als Selaheddin doch freikam, ergriff er sofort die Flucht.

Über die türkische Grenze floh er 2002 nach Zypern, holte ein halbes Jahr später seine schwangere Frau und die beiden Söhne nach. Staatliche Hilfe bekamen sie dort nicht. Doch Selaheddin schaffte es, seiner Familie ein Leben aufzubauen, mit einem kleinen Laden, einem Haus, einem Auto. "Uns ging es gut. Zypern war unsere neue Heimat", sagt er. Doch als auch Zypern von der jüngsten Wirtschaftskrise getroffen wurde, verloren die Mohamads alles, und wieder waren sie auf der Flucht - dieses Mal nach Deutschland.

Seit acht Monaten lebt die Familie nun in Bergedorf - und fängt an, sich einzuleben. Die beiden jüngeren Kinder gehen zur Schule, sprechen mittlerweile gut Deutsch. Amad hat zudem Anschluss in einer Fußballmannschaft der TSG Bergedorf gefunden. "Anfangs wollte ich zurück nach Zypern, aber jetzt habe ich Freunde hier und will studieren", sagt der 18-Jährige.

Die Dublin-III-Verordnung der EU sieht allerdings etwas anderes vor. Demnach sollen Flüchtlinge in das Land abgeschoben werden, über das sie nach Europa eingereist sind - etwa Italien, Griechenland oder eben Zypern.

So einfach wollen die Mohamads aber nicht aufgeben, haben eine Anwältin eingeschaltet. Unterstützung bekommen sie auch von der Bergedorfer Familie Schoo. Sohn Conrad spielt mit Amad bei der TSG Fußball. Vor drei Tagen hat er eine Petition unter www.openpetition.de/petition/online/keine-abschiebung-der-familie-mohammad gestartet und schon mehr als 2000 Unterschriften gesammelt. Benötigt werden 9700 Hamburger Stimmen, damit sich die Bürgerschaft mit dem Fall befasst.

Auslöser für Conrads Hilfe war eine SMS, die Amad vor zwei Monaten vom Flughafen geschickt hatte. "Es war schön, euch kennengelernt zu haben", stand darin.