Bistram-Auto aus USA zurückersteigert - Wagen waren Kinderspaß bei Hagenbeck

Vorsichtig hebt der Gabelstapler die große Kiste an, hievt sie aus dem Laderaum des Lastwagens auf den Boden der Halle in Lohbrügge. Dutzende ehrfürchtige Blicke und etliche Kameras folgen dem Geschehen. Dann greift Claus Hagenbeck, Mit-Geschäftsführer des Hamburger Tierparks, zum Akkuschrauber, um die ersten Schrauben der Kiste zu lösen. Gleich soll hier, in einer Halle an der Osterrade, der Blick auf ein verloren geglaubtes Stück Hamburger Geschichte freigegeben werden: einen Oldtimer des begeisterten Autobauers Cuno Bistram (1923-1973).

Tausende Hamburger, die zwischen 1950 und 1970 Kinder waren, verdanken Bistram glückselige Kindheitsmomente. Denn der gelernte Konditor mit Faible für Autos hatte nach 1948 fünf kleine Rennwagen konstruiert, die zunächst motorlos, dann mit Einzylinder-Zweitaktmotor im Tierpark Hagenbeck gefahren werden durften. Mit leuchtenden Augen standen damals Jungs und Deerns neben der Attraktion, sehnten sich danach, selbst Gas geben und die Piste entlangfahren zu dürfen - mit immerhin etwa 20 km/h. Doch nicht jeder konnte es sich leisten, die drei Runden für 20, später 50 Pfennig zu fahren. Claus Hagenbeck hatte es damals als Junge leichter: "Wir haben die Wagen abends immer aus dem Schuppen geholt und sind damit durch den Park gefahren" - dank gelöster Drosselschraube sogar mit bis zu 30 km/h.

1972 drehten die Wagen bei Hagenbeck ihre letzte Runde, wurden weggepackt und vergessen. Der Konstrukteur Cuno Bistram starb ein Jahr später bei einem tragischen Unfall. Jahrzehntelang schien niemand zu wissen, was mit den Fahrzeugen geschehen war, sie galten auch in der Oldtimerszene als verschollen. Bis sich Arno Becker, Vorsitzender der Regionalgruppe Hamburg der Automobil Veteranen Freunde (AVF), an die Recherche machte - erfolgreich. Mithilfe Claus Hagenbecks fand er 2012 heraus, dass die Fahrzeuge immer bei Hagenbeck geblieben waren, vergessen in einer alten Futterkammer. Die Oldtimerszene jubelte. Seither kümmern sich das Museum für Arbeit und das an der Osterrade ansässige Ausbildungsnetzwerk "Yourmove" von Nikolas Aichele um die sanierungsbedürftigen Wagen. Gemeinsam sind sie das Bistram-Projekt.

Doch ein besonderes Auto der Cuno-Bistram-Sammlung fehlte - bis Freitag. Denn Bistram hatte Anfang der 1950er-Jahre ein einziges Auto gebaut, das tatsächlich straßentauglich war. Es war zugelassen, Bistram fuhr damit und wollte es vermarkten. Doch der 2,50 Meter lange Einsitzer (150 ccm, 6,7 PS, 60 km/h Höchstgeschwindigkeit) war wohl nicht zeitgemäß genug: Zwar war es in einem Kulenkampff-Film der Star, doch Bistram gab das Auto schließlich an einen Sammler. Der Wagen stand erst in einem Museum in Tremsbüttel, wurde dann 1997 in die USA an einen weiteren Sammler verkauft und schließlich von dort aus versteigert. Nikolas Aichele erinnert sich gut an diese Versteigerung im Jahr 2013: Per Internet bot auch Claus Hagenbeck mit - doch den Zuschlag erhielt ein Unbekannter. "Das war nicht nur Ernüchterung, das war brutal", berichtet Oldtimerfan Aichele.

Aber die Hamburger gaben nicht auf, blieben am Ball - und erfuhren Ende 2014, dass der Wagen bei Ebay in den USA erneut versteigert wird. Wieder bot Claus Hagenbeck mit - und diesmal erhielt er "für einen niedrigen fünfstelligen Betrag" den Zuschlag. Die Euphorie aller Oldtimerfreunde war grenzenlos - und steigerte sich am Freitag einmal mehr, als die Kiste aus den USA bei "Yourmove" an der Osterrade angeliefert wurde. Neben Claus Hagenbeck waren auch andere Oldtimerfans und Cuno Bistrams Töchter Monika und Gesina Bistram gekommen.

Höchstselbst packte Claus Hagenbeck mit an, um die Schrauben der Kiste zu lösen und den Oldtimer aus der Kiste zu befreien. Dann stand der Wagen da, Kameras klickten und gestandene Männer kämpften mit der Rührung. "Er macht noch mehr her, als ich dachte", befand Nikolas Aichele. Sein Bistram-Projekt darf sich nun um die Leihgabe kümmern, darf das Auto sanieren und vorführen. Eigentümer Claus Hagenbeck hingegen "möchte das Auto gern mal fahren". Ein erster Versuch scheiterte nicht nur an der mangelnden Fahrtüchtigkeit des Wagens: "Ich bin etwas zu groß", bedauerte 1,91-Meter-Hüne Hagenbeck.