Bürgerpreis Engagierter Amtsrichter

Das Lächeln freundlich, der Handschlag fest und entschlossen: Wer Klaus-Ulrich Tempke trifft, ahnt schnell, dass dieser Mann gleichermaßen über Milde wie Entschiedenheit verfügt. Als Hamburger Amtsrichter sprach er über Jahrzehnte Recht. Doch auch jetzt im Ruhestand nutzt der 63-Jährige seine juristischen Kenntnisse, seinen Gerechtigkeitssinn und seine persönlichen Erfahrungen, um anderen Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen - und das gleich in drei Ehrenämtern. Für sein Engagement wurde der Wentorfer für den Bürgerpreis von Volksbank Bergedorf und Bergedorfer Zeitung vorgeschlagen.

Engagiert ist Klaus-Ulrich Tempke, der einer Bergedorfer Lehrerfamilie entstammt und "der Region fest verbunden ist", bereits seit seiner Jugend. Anfangs setzte er sich bei den Pfadfindern ein, später, als studierter Jurist, begann Klaus-Ulrich Tempke mit seinem Engagement bei der Öffentlichen Rechtsauskunft (ÖRA) in Hamburg: Dort erhalten einkommensschwache Menschen juristischen Rat. Seit 30 Jahren ist er dabei. "Justiz darf nicht das Recht des Stärkeren sein - auch nicht des wirtschaftlich Stärkeren", ist er überzeugt.

Auch als Amtsrichter für Strafsachen in Hamburg-Mitte bemühte er sich stets um Gerechtigkeit. Doch der 23. März vor genau 10 Jahren sollte sein Leben ändern. Klaus-Ulrich Tempke verließ damals die ÖRA-Geschäftsstelle am Holstenwall, als ein Mann auf ihn zutrat. Ihn hatte Tempke zuvor wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der gerade aus der Haft entlassene Täter stach ohne Vorwarnung mit dem Messer auf Tempke ein. Der Vater zweier Kinder (heute 23 und 32 Jahre) brach mit lebensgefährlichen Verletzungen im Unterbauch und an der Halsschlagader zusammen.

Er hatte Glück und überlebte. Doch der folgende Strafprozess gegen seinen Attentäter änderte einiges: "Ich habe gemerkt, wie viel sich um den Täter dreht." Die Straftäter erhielten hierzulande viele Hilfs- und Therapieangebote, auch zu Recht. Doch darüber würden die Opfer vergessen. So wie der Amtsrichter damals: "Einmal erschien der Innensenator medienwirksam an meinem Krankenbett." Dann war Funkstille. Tempke wurden mit den Folgen des Attentats alleingelassen. "Das war die Initialzündung", sagt Tempke. Der Jurist kehrte in den Beruf zurück, begann kurz darauf, sich beim "Weissen Ring" für andere Opfer von Kriminalität zu engagieren. Seit sechs Jahren leitet er die Bezirksstelle Bergedorf-Billstedt, koordiniert die Arbeit von zwölf weiteren Ehrenamtlichen und betreut selbst Opfer. Zudem berät er Hamburger Polizisten, die Opfer von Dienstunfällen oder traumatischen Situationen wurden.

"Viele Opfer gehen nach der Tat restlos unter", weiß der Jurist. Er selbst musste seine Arbeit zwei Jahre nach dem Attentat aufgeben - zu schwer waren auch nach etlichen Operationen die körperlichen Folgen. Anträge auf Schwerbehinderung etwa erforderten von den Opfern "einen langen Atem" und eine gute Kenntnis des Behördendschungels. Der "Weisse Ring" hilft den Betroffenen deshalb nicht nur mit einem offenen Ohr und tröstenden Worten, sondern auch mit finanzieller und rechtlicher Unterstützung. Und auch wenn das Leid oft nicht so einfach geheilt werden kann: Tempke ist es wichtig, dass die Opfer zu ihrem Recht kommen. "Ich will eine Waffengleichheit bei der Hilfe", sagt er.

Denn während manche Täter einfach in ihr früheres Leben zurückkehren können, leiden viele Opfer ihr Leben lang. Auch Tempke wird stets an die Tat von einst erinnert. So blieben zwei Finger gelähmt, das geliebte Klavierspielen musste er aufgeben. "Aber es hilft ja nichts, sich selbst zu bedauern. Dann arbeite ich lieber." Mit einer weiteren Tätigkeit als Schiedsmann in Wentorf, bei der er Nachbarschaftsstreitigkeiten klärt, summiert sich sein ehrenamtliches Engagement wohl "etwa auf eine Halbtagsstelle", schätzt er. Die Zeit die dann noch bleibt, gehört Ehefrau Beatrix und seinen Hobbys - dem Chorsingen und den Tennis-Senioren.