Alternativer Stadtrundgang: Weltladen-Expertin nimmt Ausbeutung, Gifte und Hersteller ins Visier

Es ist ein etwas anderer Stadtrundgang, zu dem Anne-Kathrin Schauenburg Sonnabend durch Bergedorfs City aufbrach. Die Volkswirtin hat unser alltägliches Konsumverhalten im Visier, bei dem oft die Schnäppchen-Jagd jegliches Nachdenken über Herstellungsbedingungen und Gesundheitsgefährdung verdrängt, ja sogar die Frage, ob wir dieses Produkt überhaupt brauchen.

Seit zwei Jahren schon bietet der Weltladen Bergedorf diese Tour immer im März an, unterstützt von der Buhck-Stiftung und Brot für die Welt. Es ist ein kritischer Blick auf die Schattenseiten der Globalisierung, die sich auch in den Regalen und Auslagen der Bergedorfer Geschäfte finden. Dabei will Anne-Kathrin Schauenburg kein einzelnes Unternehmen an den Pranger stellen, sondern zum Umdenken beim Einkaufen anregen: "Globalisierung bedeutet internationale Verflechtung in allen Bereichen, was nicht per se schlecht sein muss. Es kommt auf die Ausgestaltung an. Leider gründet sich unsere Kultur derzeit auf die Aufzehrung der Ressourcen", erklärte sie bei der zweistündigen Tour. Diese führte vom Bahnhof durch das CCB und entlang dem Sachsentor bis zum Weltladen an der Bergedorfer Schloßstraße.

Bei Stopps, etwa vor Bekleidungsläden oder Handy-Shops, gab Schauenburg Denkanstöße für den täglichen Einkauf: "Brauche ich 26 Kilo Kleidung, die sich der Durchschnittsdeutsche pro Jahr neu zulegt? Müssen wir auf jede Werbung reinfallen?"

An den Konzernen lässt sie kein gutes Haar: "Angesichts der Milliarden Euro schweren Werbe-Etats gibt es keinen nachvollziehbarer Grund, etwa in Mittelamerika unter erbärmlichen Bedingungen zu produzieren", ist sich die Volkswirtin sicher. Sie prangert auch das indische Sumangali-Prinzip an. Vor allem Textilunternehmen schließen dmit den Eltern junger Mädchen einen mehrjährigen Arbeitsvertrag ab, bei dem der Lohn größtenteils erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt wird. Das Mädchen soll sich so die Mitgift selbst erarbeiten, die es für eine Ehe dringend benötigt. Denn in Indien ist eine unverheiratete Frau wertlos.

Ein ganz alltägliches Problem, auch für uns selbst, ist die mitunter extrem giftige Verarbeitung von Textilien. Anne-Kathrin Schauenburg: "Die Gifte gehen auch nicht nach zweimaligem Waschen nicht raus - weshalb Greenpeace die Kampagne 'Detox' ins Leben gerufen hat: Textilfirmen werden dazu angehalten, die Verschmutzung von Gewässern zu stoppen. Mit Erfolg: Viele Hersteller verzichten bereits auf allzu giftige Inhaltsstoffe. Man muss Druck auf Unternehmen und Politik ausüben, von alleine machen die gar nichts."

Aber wie kann der Einzelne verantwortungsvoll handeln? "Statt neuer Kleidung mal Flohmärkte oder Tauschbörsen aufsuchen", schlägt Schauenburg vor. "Oder reparieren." Der Preis sage übrigens nichts darüber aus, unter welchen Bedingungen hergestellt wurde. "Im Gegenteil, es gibt günstige Marken, die sich um faire Bedingungen bemühen", sagt die Expertin. Zudem gebe es Siegel, denen auch sie vertraue: Global Organic Textile Standard, Fairtrade, Fair Wear Foundation und Naturtextil IVN.

Neben bewussterem Kaufen von Bekleidung warb Schauenburg auch für deutlich reduzierten Fleischkonsum: "98 Prozent des in Deutschland konsumierten Fleischs entstammt der Massentierhaltung." Und sie rief dazu auf, sich nicht alle ein bis zwei Jahre ein neues Smartphone zuzulegen: "Auch hier appelliert man in der Werbung sehr gern an niedere Instinkte: Das tolle neue Smartphone mache Freunde neidisch." Verschwiegen werde, dass eine solche Massenproduktion seltene Rohstoffe verschlinge - vom Müllproblem ganz zu schweigen.