Autismus: Verkehrsbetriebe setzen auf besondere Stärken autistischer Menschen

Die Welt der Busse und Bahnen ist sein Ding: Sobald Jan Stubbe vom Unterricht an der Handelsschule in Alsterdorf nach Hause kommt, setzt er sich an seinen Computer und fährt am Simulator Strecken ab. Die Fahrpläne - ob in der Realität oder digitalen Welt - kennt er längst auswendig. Denn der 18-Jährige aus Neuallermöhe ist Autist. Und das strukturierte Schienennetz und die Vorhersehbarkeit der Fahrpläne geben ihm Sicherheit: "Das ist mein größtes Fachgebiet", schwärmt Jan Stubbe.

Bei den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) bekam er nun die Gelegenheit, sein Hobby in der Realität zu erleben. Das Verkehrsunternehmen setzt seit dem vergangenen Jahr bewusst auf die Stärken von Autisten. Denn während sie auf der einen Seite häufig Schwierigkeiten haben, Ironie zu interpretieren oder Emotionen ihrer Mitmenschen zu verstehen, sind es andererseits feste Zeitstrukturen und Abläufe, die sie besonders interessieren und bei deren Entwicklung sie großes Talent besitzen.

Gute Voraussetzungen für einen durchstrukturierten Betrieb wie die VHH, dachte sich Christiane Bossel-Schwenck aus der Personalabteilung. Sie hatte die Idee, die Stärken der autistischen Menschen zu nutzen und sie in das Unternehmen zu integrieren: "Nur fünf Prozent der Autisten bekommen eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt." Nach einem Praktikum sind bereits zwei Mitarbeiter in der Buchhaltung und Fahrgastzahlenauswertung fest eingestellt, mit dem Start des Ausbildungsjahres 2015 wird ein junger Mann bei den VHH eine Ausbildung zum Kaufmann für Verkehrsservice beginnen.

So werden die VHH mehr und mehr zum "A-Team": "Unsere 1600 Mitarbeiter stammen aus 61 Nationen, und die Vielfältigkeit wird nun noch größer", sagt Sprecher Martin Beckmann. Es sei eine Chance, durch die alle lernen könnten, so Beckmann.

VHH-Ausbildungsleiter Dieter Pargmann kann dem nur zustimmen. Er hat Jan auf dem Bergedorfer Betriebshof betreut, den jungen Mann als wertvolle Bereicherung wahrgenommen: "Alle Mitarbeiter haben ihn angenommen, wie er ist", sagt er. Jan habe das mit viel Ehrlichkeit, Interesse und Sympathie honoriert. Nach vier Wochen ist der 18-Jährige schon ein wenig traurig, dass die Praktikumszeit vorbei ist. Denn sie hat ihm bestätigt: Busse und Bahnen, das ist seine Welt: "Mein Traumjob ist es, ein Lokführer bei der S-Bahn zu sein".

Zum Thema "Zu exklusiv für Inklusion? - autistische Menschen und der Arbeitsmarkt" gibt es am 24. April einen Fachtag der Genossenschaft "autWorker". Im Ottensener Werkhof (Gaußstraße 25) gibt es von 10 bis 16 Uhr eine Podiumsdiskussion und Erfahrungsberichte von Autisten und Unternehmen wie den VHH. Infos: www.autworker.de.