Schuldebatte: Wer macht unsere Schüler fit fürs Leben?

Es könnte so schön sein: Die Schule geschafft, den Abschluss in der Tasche, doch was braucht man eigentlich, um dann ins Leben starten zu können? Diese Frage stellte sich auch Naina K. und erkannte, dass sie keine Ahnung hat etwa von Steuern oder Miete, "aber ich kann Gedichtsanalysen in vier Sprachen". Die Kölner Abiturientin machte ihrem Frust mit 136 Zeichen auf Twitter Luft und löste damit eine bundesweite Debatte aus. Auch an hiesigen Schulen wird nun diskutiert, wie weit der eigene Lehrplan am Leben vorbei unterrichtet.

Nicht jeder sieht die Verpflichtung, die Jugend auf das alltägliche Leben vorzubereiten, allein bei den Schulen. Lukas Halb (20) und Ikimatou Saiboulaye (18) besuchen die 13. Klasse der Stadtteilschule Lohbrügge. Ihrer Meinung nach ist es nicht notwendig, dass die Schule ein allgemeingültiges Wissen für ein eigenständiges Leben vermittelt. Die beiden Abiturienten verstehen ihre Schule eher als unterstützenden Wegbereiter: "Die Schule muss sich ja an einem Lehrplan orientieren. Ich sehe da kein Problem, man muss hier nicht alles lernen. Die Familie und Unternehmen unterstützen einen auch", sagt Halb. "Außerdem ist es nicht so, dass Lehrer einen wegschicken, wenn man Fragen hat. Wenn man Interesse zeigt, wird darauf eingegangen", fügt Saiboulaye hinzu.

Eine ähnliche Meinung herrscht am Gymnasium Lohbrügge. Auch hier stellt man sich die Frage: Was sollen unsere Schüler können? Das bilinguale Gymnasium fokussiert sich jedoch auf andere Kompetenzen, wie beispielsweise die mehrsprachige Ausbildung. "Wir können ja nicht für jeden Behördengang ein Unterrichtsfach einrichten, schließlich kommt den Eltern auch ein großer Anteil an der Allgemeinbildung zu. Gymnasien bereiten auf eine akademische Ausbildung vor. Wir vermitteln unseren Schülern die Kompetenz, die richtigen Fragen zu stellen", erläutert Schulleiter Michael Koops. Nichtsdestoweniger entfernt sich der 49-Jährige von dem Eindruck, das Gymnasium sei eine reine Dozieranstalt. "Es gehört auch zu unser erzieherischen Aufgabe", so Koops, "unseren Schülern beratend zur Seite zu stehen, wenn sie sich an uns wenden." Denkbar sei zwar eine Projektwoche zu dem Thema, aber weder Schüler noch die Schulleitung glauben, dass ein dauerhafter Unterricht sinnvoll oder gar leistbar sei.

Dass dies sehr wohl möglich ist, will die Stadtteilschule Richard-Linde-Weg zeigen. Die Schüler sind in Klassen von fünf verschiedenen Profilen aufgeteilt, die je nach Thema fachbezogene Kompetenzen vermitteln. Im Profil Wirtschaft zum Beispiel werden die Schüler unter anderem mit Steuern und Krankenkassen sowie Mietangelegenheiten vertraut gemacht.

"Das Fachliche sollte sekundär sein, denn es ist wichtig, Kindern Kompetenzen zu vermitteln, mit denen sie lebensfähig werden", sagt der Abteilungsleiter Mittelstufe, Andreas Nast. "Man muss die Angst ablegen, dass man seinen Lehrplan nicht schafft, wenn man darauf eingeht."