Pflegestärkungsgesetz: “Alltagsbegleiter“ im Heim - Auch die Angehörigen werden entlastet

Schnell das Bett ausschütteln, die Haare bürsten und noch vier Minuten für die Toilette. . . diese Hetze ist jedem Altenpfleger bekannt, der nach Leistungsvorgaben schaffen muss und doch eigentlich den Beruf wählte, um Senioren liebevoll zu betreuen, auch mal ein Schwätzchen zu halten. Dass dafür jedoch meist keine Zeit bleibt, stößt auf Unverständnis - und wird sich mit veränderter Rechtslage im neuen Jahr endlich ändern.

Vom "Pflegestärkungsgesetz" mit Leistungsverbesserungen im Umfang von 2,4 Milliarden Euro profitieren die bundesweit 2,5 Millionen Pflegebedürftigen, verspricht Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, der mit einem rasanten Anstieg rechnet: Im Jahr 2030 sollen es rund eine Million mehr sein.

"Die Gesetzgebung ist zwar kompliziert und versteht kein normal Sterblicher, aber sie wird viele Vorteile bringen", sagt Ingo Pfaffenberger. Er ist Geschäftsführer vom Behrmann-Stift, das an der August-Bebel-Straße 106 Pflegeheimplätze anbietet sowie 161 betreute Mietwohnungen.

"Wir freuen uns über den neuen Personalschlüssel, der für alle Bewohner gilt. Statt 1:24 können wir jetzt 1:20 betreuen und damit drei neue Mitarbeiter einstellen", sagt Einrichtungsleiterin Vera Lütke Wissing. Zusätzlich sucht sie "Alltagsbegleiter", die einen 160-Stunden-Lehrgang belegt haben, sich speziell mit Demenzkranken auskennen: "Sie lesen mal aus der Zeitung vor, begleiten Ausflüge, spielen Karten oder bieten im Gruppenraum Aquarellmalen an. All die schönen Dinge, für die unsere Pflegekräfte keine Zeit haben."

Dass sich der Zuschuss der Pflegekassen um vier Prozent erhöht, ist indes für Pfaffenberger kein großer Wurf: "Das ist die erste Anhebung seit 1996." Aber sie wird allen Angehörigen helfen, die mal eine Auszeit brauchen - immerhin zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden Zuhause gepflegt. Kam bislang etwa morgens und abends ein Pflegedienst vorbei, ist es jetzt auch möglich, zusätzlich eine Tagespflege in Anspruch zu nehmen: Die Betreuungsformen lassen sich also flexibler mischen.

Neu ist, dass sich berufstätige Angehörige zehn Tage bezahlt freistellen lassen können, um kurzfristig eine Pflege zu organisieren. Da hilft auch eine verlängerte Anschlussbetreuung nach einem Krankenhaus-Aufenthalt: Statt 28 sind jetzt 42 Tage in der Kurzzeitpflege erlaubt.

"Und die Kurzzeitpflege lässt sich wiederum besser vermischen mit der Ersatzpflege, wenn der Angehörige also einfach mal nicht da sein kann", erklärt Pflegedienstleiterin Veronika Göthje. Insgesamt 70 Menschen werden von 17 Kräften ambulant betreut - und sie freuen sich darauf, besser auf Kundenwünsche eingehen zu können: Mal nur kurz vorbeikommen, während die Ehefrau einkaufen geht. Oder abends eben nochmal nach dem Senior gucken - obwohl er bereits versorgt ist, also satt und gewaschen.

"Wir rechnen auch mit mehr Anfragen zur hauswirtschaftlichen Entlastung", sagt Göthje. Denn die steht auch Menschen zu, die in Pflegestufe null eingestuft wurden. Sie können damit rechnen, wöchentlich zwei Stunden mehr betreut zu werden, bei Demenzkranken können es bis zu vier Stunden mehr sein.

Dass Pflegekräfte künftig mehr Muße für ihre Kunden haben, liegt auch daran, dass sie weniger Schreibkram erledigen müssen: "Wir haben uns für ein Entbürokratisierungsprojekt beworben und hoffen, durch eine weniger umständliche Verschriftung Zeit sparen zu können", sagt Geschäftsführer Pfaffenberger.

* Individuelle Beratungen bietet Bergedorfs Pflegestützpunkt an, der am Weidenbaumsweg 21 unter Telefon 428 99 10 20 erreichbar ist. Montags (8-12 Uhr) und donnerstags (14-18 Uhr) geht's auch ohne Voranmeldung.