Kundgebung: Hunderte Menschen setzen Zeichen gegen NPD

Gudrun Meyer ist schon 70 Jahre alt und zurzeit von einer starken Grippe fast außer Gefecht gesetzt. Trotzdem wurde ausgerechnet sie am Sonnabend zur mächtigen Gegnerin von Neonazi Thomas Wulff. Die Nettelnburgerin war es, die 48 Stunden zuvor die Gegendemo zum Propaganda-Auftritt der Rechten anmeldete - und dank zahlreicher Unterstützer ein klares Zeichen für das neu errichtete Flüchtlingsdorf auf dem P+R-Platz Friedrich-Frank-Bogen setzte.

"Wir versalzen denen ihre braune Soße", rief die Nettelnburgerin den mehreren Hundert Teilnehmern der Kundgebung auf dem Werner-Neben-Platz zu, darunter viele Familien. "Ich bin begeistert, dass Bergedorf-West, Nettelnburg, Lohbrügge, Neuallermöhe und der Rest von Bergedorf so spontan ein solches Zeichen gegen menschenverachtende Stimmungsmache setzen können", sagte eine sichtlich erschöpfte, aber glückliche Gudrun Meyer, die Mitglied im Bergedorfer Kreis der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ist. Sie eröffnete die rund einstündige Kundgebung, bei der unter anderem Pastor Thomas Hess, Alper Dogan von Bergedorfs alevitischer Gemeinde, Girija Harland (Verein Bergedorfer für Völkerverständigung) und Ingo Werth von Fluchtpunkt Bergedorf sprachen.

Wie engagiert die Menschen aus Bergedorf-West für ihre künftigen Nachbarn im Flüchtlingsdorf zu Werke gehen, machte Gewerbeschullehrer Bernd Kautz deutlich, der in seiner Ansprache das Projekt einer Möbeltischlerei in der Holzwerkstatt der Gewerbeschule 19 vorstellte. Es soll sich gezielt an männliche Flüchtlinge wenden und den für sie erfahrungsgemäß besonders schwierigen neuen Alltag mit einer anspruchsvollen Tätigkeit ausfüllen.

Dass die NPD-Hasstiraden auf ein noch leeres Flüchtlingsdorf trafen, machte Girija Harland einerseits glücklich: "Die ersten Bewohner ziehen tatsächlich erst am 22. und 23. Dezember ein. Aber bis dahin müssen sie in Zelten leben, die die zentrale Erstaufnahme aus Platzmangel aufstellte", sagte die Vorsitzende des Vereins Bergedorfer für Völkerverständigung. Nach der Begrüßung mit Weihnachtspräsent und Lebensmitteln von der Bergedorfer Tafel müssten die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer vom Runden Tisch dann sofort den Turbo einschalten: "Damit alle Flüchtlinge bis Heiligabend Bargeld haben, werden wir mit jedem im Bezirksamt vorstellig." Anschließend gehe es um die Organisation von Deutschkursen, Eltern-Kind-Angeboten und natürlich das persönliche Kennenlernen.

Dass dieses Engagement durch das Auflaufen der NPD eher gestärkt als geschwächt wurde, macht Maria Werner deutlich, Leiterin der Grundschule Friedrich-Frank-Bogen: "Wenn es darauf ankommt, hält dieser Stadtteil zusammen." Dagmar Kossendey vom Bürgerhaus Westibül ergänzt: "Seit die Hochhäuser von Bergedorf-West vor gut 40 Jahren entstanden, leben hier viele Kulturen miteinander. Die Selbstverständlichkeit von Integration ist der Schatz dieses Stadtteils."