Wanderschaft: Zimmermann Renee-Julian Murawski war drei Jahre lang auf der Walz

Renee-Julian Murawski ist wieder zu Hause. Hinter dem 24-jährigen Bergedorfer liegt die wohl aufregendste Zeit seines Lebens. Vor genau drei Jahren und drei Monaten ging der gelernte Zimmermann auf die Walz. Seitdem hat er die halbe Welt bereist.

Die Walz ist ein jahrhundertealter Brauch. Früher diente er dazu, Berufserfahrung zu sammeln und war Voraussetzung, um Meister zu werden. Heute ist es selten, dass jemand auf die Walz geht. Etwa ein Prozent der Gesellen aus der Holzzunft gehen dieser alten Tradition noch nach.

Renee-Julian Murawski, der das Handwerk bei der Reinbeker Zimmerei Boysen gelernt hat, machte sich im Sommer 2011 auf den Weg. Er wollte andere Arbeitspraktiken kennenlernen, ferne Länder sehen und Lebenserfahrung sammeln. Leicht war es nicht. Während der Wanderzeit musste er seinem Heimatort mindestens 50 Kilometer fern bleiben. Familie und Freunde hat er nur sporadisch sehen können, wenn diese ihn irgendwo besuchten, Handys sind verboten. Bei seiner Rückkehr am Sonnabend stand für ihn dennoch fest: Es war die beste Entscheidung seines Lebens.

De 24-Jährige hat Dinge erlebt, von denen andere nur träumen: In Australien hat er drei Monate lang an Holzsegelschiffen gebaut, und in Neuseeland durfte er beim Bau eines ökologischen Holzrahmenhauses helfen. Weitere Arbeitsstationen waren Kanada, Singapur, Thailand, Dänemark, Norwegen, die Schweiz und Österreich. Aber auch in vielen deutschen Städten hat er gearbeitet.

Nach Übersee und Asien ging es mit dem Flugzeug. In Europa war der Zimmermann - wie es die Tradition verlangt - zu Fuß oder per Anhalter unterwegs. "Das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist verpönt", erklärt Murawski. "Überall waren die Menschen sehr gastfreundlich, und es war auch nie schwer, Arbeit zu finden", erzählt der Handwerker.

Seine Habseligkeiten und wichtigsten Werkzeuge transportierte der Zimmermann im sogenannten "Charlottenburger" - einem großen Leinentuch, das nach dem Berliner Stadtteil benannt wurde. "In Charlottenburg wurden die Tücher erfunden. Früher hatten die Handwerker auf der Walz ihre Sachen in Felle gewickelt, dadurch wurde aber viel Ungeziefer eingeschleppt", berichtet Kevin Glaser (22) aus Stuttgart, einer der Weggefährten Murawskis.

Neben der schwarzen Kluft ist der Stenz - der Wanderstock - ein Merkmal der Handwerker. Aber auch der Ohrring hat bei Zimmerleuten eine lange Tradition. "Der Ohrring war früher der wertvollste Besitz auf der Walz. Er diente dazu, das Begräbnis zu bezahlen, wenn jemand auf seiner Wanderschaft starb", erklärt Roman Brem. Der Zimmermann aus Zürich ist selbst seit zwei Monaten auf der Walz. Sein Ohrloch wurde - wie es die Tradition verlangt - mit einem Zimmermannsnagel gemacht.

18 Gesellen begleiteten Murawski auf seinen letzten Kilometern zurück nach Hause. Rund 50 Familienmitglieder und Freunde hatten sich am Stadtrand in Altengamme versammelt, um den Heimkehrer zu begrüßen. Am meisten freut sich Murawski, nun endlich wieder einen eigenen Kühlschrank und ein eigenes Klo zu haben und jeden Morgen zu wissen, dass er am Abend ein Bett hat.

Sein nächstes Ziel hat der 24-Jährige auch schon vor Augen: Er will seinen Meister machen.