Unterkünfte: Verein für Völkerverständigung hilft Familien mit Kindern

Noch fehlen die Container und Anschlüsse am Curslacker Neuen Deich. Aber hier, gegenüber vom "bz"-Verlagsgebäude, sollen im Oktober 200 Flüchtlinge unterkommen. So wie einst an selber Stelle Roma und Sinti wohnten, bis die Unterkunft 1998 aufgelöst wurde. Diesmal werden Menschen aus Syrien und Afghanistan erwartet, aus Tschetschenien und dem Irak, "aber auch wieder Roma und Sinti, die in Rumänien oder Bulgarien verfolgt werden", sagt Girija Harland.

Die Vorsitzende des Bergedorfer "Vereins für Völkerverständigung - Leben mit Ausländern" ist ebenso gespannt auf die künftige Belegung wie Sozialdezernentin Angela Braasch-Eggert: "Ich warte auf Details, hoffe auf eine zusätzliche Personalstelle für das Sozialamt und eine halbe für das Jugendamt." Zudem wolle sie vorab einen runden Tisch einberufen. Der betreffe vor allem die Anwohner der Sandwisch in Moorfleet, wo 100 Fremde erwartet werden. "Die ersten 64 Flüchtlinge werden noch im September aufgenommen", sagt nun Christiane Schröder von "fördern & wohnen" (f&w).

Wichtig ist vor allem die Frage, wie die Menschen betreut werden, denn zwar kümmert sich je ein Sozial- und Unterkunftsmanager um 97 Bewohner, stellt f&w einen Hausmeister pro 160 Bewohner zur Verfügung. Vieles andere aber muss das Ehrenamt übernehmen. Ein Dilemma zeigt sich schon jetzt im Pavillondorf am Curslacker Neuen Deich, wo derzeit 580 Menschen leben - allein in den jüngsten Wochen seien 21 Minderjährige aus Syrien und 31 aus dem Irak angekommen, sagt Girija Harland: "Wir haben einen Antrag gestellt, um den Kindergarten von 22 auf 40 Plätze erweitern zu können. Das hat die Behörde aber abgelehnt." Dabei hat der Verein dem Bezirk zugesagt, sich auch um die neuen Flüchtlingskinder zu kümmern, Kita-Plätze und Hausaufgaben-Betreuung anzubieten.

Das sind die Kernaufgaben des Vereins, der vor 25 Jahren gegründet wurde und nächsten Dienstag, 14 Uhr, zum Festprogramm mit Tänzen, Fußballturnier und Kinderschminken an den Curslacker Neuen Deich 78-80 einlädt, wo gemeinsam mit dem "Falkenflitzer", der 20 Jahre alt wird, gefeiert wird. Das Spielmobil hält seit jeher dienstags nachmittags vor der Wohnunterkunft und bespaßt Kinder.

Auf Initiative der damaligen Bezirksamtsleiterin Christine Steinert, die mehrere SPD-Genossen anstachelte, stand im November 1988 die Satzung für den "Verein für Völkerverständigung" fest. Im Dezember schon kamen die ersten 120 Flüchtlinge nach Bergedorf. Im ehemaligen Kinderheim hinter dem Friedhof an der August-Bebel-Straße kamen Familien unter, die vor dem Geheimdienst im Iran geflohen waren, vor der Kurden-Verfolgung in der Türkei, vor dem Krieg im Libanon oder auch aus Afghanistan. "Die Afghanen waren meist gebildete Leute, Hochschullehrer oder vom Militär. Sie wurden in ihrer Heimat der Kollaboration mit den Russen bezichtigt", erinnert Girija Harland.

Eine Familie wohnte mit drei Kindern in einem 30 Quadratmeter großen Zimmer, "wir schrieben einen Hilfebrief ans Bezirksamt, weil ein Backofen fehlte, es weder ein Spielzimmer noch einen öffentlichen Fernsprecher gab, auch keinen Raum für unsere Sprechstunden. Außerdem hielt der letzte Bus aus Bergedorf schon um 19 Uhr." Ab 1990 gab es endlich bezirkliche Sozialarbeiter, und sie hatten genügend zu tun: Im Hotel "Waldschloss" an der Wentorfer Straße lebten Flüchtlinge, zudem gab es Ende 1992 etwa 100 Plätze auf einem leer stehenden Firmengelände am Lehfeld 19. Zeitgleich lebten Asylanten am Wilhelm-Iwan-Ring in Allermöhe. 1993 dann konnten sie in das neue Pavillondorf am Curslacker Neuen Deich umziehen.

Wohin aber mit den knapp 50 Sinti und Roma, die im Garten der August-Bebel-Straße campierten? "Sie sammelten dort Elektrogeräte und brannten Messingkabel ab", erinnert sich Brigitte Knees, die sich seit 20 Jahren für den Verein engagiert. So kam es, dass gegenüber der "bz" ein Flüchtlingsdorf eigens für diese Volksgruppe eingerichtet wurde - was für viele eine Herausforderung war: "Obwohl wir einen Roma-Erzieher hatten, schickten sie die Kinder nicht in die Kita. Manche aber kamen verwahrlost mit hängender Windel, weil die Mutter gerade im Gefängnis saß", erzählt Harland. Später wurde eine Mädchengruppe eingerichtet, weil die älteren Schwestern selber mal spielen statt aufpassen wollten. "Aber die kamen nur bis 13, weil sie mit 14 schon verheiratet waren, den Kontakt abbrechen mussten." Immerhin aber seien alle Sechs- bis Zwölfjährigen in eine Schulklasse gegangen - nach Ochsenwerder, damit sie nicht umsteigen mussten. Wobei die Väter argwöhnisch waren: Zu viel Bildung könnte heißen, dass die Kinder eines Tages ihren Clan verlassen.

Solche Zeiten sind hoffentlich vorbei, längst freuen sich Flüchtlingseltern über helfende Angebote. Und so wirbt der Verein für Völkerverständigung - der gern mehr als 15 Mitglieder hätte - um Ehrenamtliche, die etwa künftig an der Sandwisch Hausaufgaben betreuen oder am Curslacker Neuen Deich eine Fußball-Gruppe trainieren mögen. Wer Interesse hat, meldet sich dienstags zwischen 10.30 und 14 Uhr im Büro unter Telefon (040) 7 21 28 70.