50 Jahre Jazzclub: Am Wochenende steht der Suhrhof kopf - Nostalgie, Live-Musik satt und ein Umzug durch das Sachsentor

Von Freitagabend an wird der Suhrhof für ein Wochenende aus den Fugen geraten. Es soll genauso werden wie damals in den 1960er-Jahren, als Rolf "Paps" Suhr (* 2000) die leer stehenden Lagerräume im "Niemandsland" zwischen Serrahn, ZOB und Weidenbaumsweg zum Jazzer-Treff des Hamburger Ostens machte. Erst probten hier seine "Mountain Village Jazzmen", dann fanden sich derart viele Freunde und junge Jazzer ein, dass der Treff der Bergedorfer Musiker-Jugend geboren war: "Jazz-Forum Bergedorf" nannten "Paps" und Ehefrau Marion Suhr ihre Musikkneipe, die vor mittlerweile 50 Jahren aus dem Nichts entstand.

"Jazz war unsere Popmusik", erinnert sich Ingrid Schwenkkros an die wilden 60er, in denen sie auch ihren Ehemann Hans kennenlernte - natürlich einen Jazzer. Heute gehören beide zum harten Kern vom 100 Mitglieder starken "Freundeskreis Jazzclub Bergedorf", der Suhrs Werk seit gut zehn Jahren unter dem neuen Namen fortführt. Die Schwenkkros' zeichnen zusammen mit Brigitte und Horst Lohse sowie Bergedorfs ehemaligem Wirtschafts- und Ordnungsamtsleiter Fred Schulze auch verantwortlich für das Festprogramm zum Geburtstag (siehe rechts).

Schulze ist übrigens "schuld" daran, dass ausgerechnet im gutbürgerlichen Bergedorf einer der renommiertesten Treffs der "Radaumusik" Jazz entstand. Seit 1965 für die Genehmigungen zuständig, drückte er bei Schankkonzession, den zum Bahnhof "ausgelagerten" Toiletten und auch mancher baulichen Unzulänglichkeit der Schuppen am Suhrhof die Augen zu: "Es war eine wichtige Strömung der Jugendlichen. Wer etwas auf sich hielt, war Jazzer. Das brauchte doch Raum, denn die Eltern wollten davon nichts hören", sagt Fred Schulze, damals selbst erst knapp über 30 Jahre jung.

Wie die Nachkriegsjugend damals rebellierte, beschreibt Reiner Rump im Schlossheft über Bergedorfs Jugend der 50er-Jahre, zu der auch er gehörte: "Schlagartig ab 1959 wimmelte es in Bergedorf von Jungen, die alle einen schwarz lackierten Instrumentenkoffer mit sich rumschleppten. Ob was drin war, ging niemanden etwas an. Wichtig war nur, dass man wichtig genommen wurde: ' Sieh an, sieh an, auch'n Jazzer!' Aber üben durften die meisten nur, wenn der Alte zur Arbeit war. Oder heimlich im Schuppen."

Fast alle Jazzer plagten sich also verzweifelt mit der Suche nach Übungsräumen: "In freistehenden Baracken, schalldichten Kellerräumen, selbst im Bunker neben dem S-Bahn-Ausgang an der Lohbrügger Seite des Bergedorfer Bahnhofs versuchte man sein Glück", schreibt Rump.

Kein Wunder also, dass "Paps" Suhr in seinem Hinterhof jenseits der Bahn schnell viele Gäste zählte. Und es gelang ihm, sogar Größen wie Christ Barber oder Ken Colyer zu locken. Das begründete einen Ruf, der den Jazzclub bis heute in allen Jazz-Portalen zu den ersten Adressen macht.

Tatsächlich ist nach wie vor viel los, gibt es von April bis Mitte September immer sonntags ab 11 Uhr Jazzfrühschoppen mit Livemusik unter freiem Himmel im Suhrhof (Weidenbaumsweg 13-15). Im Rest des Jahres ist freitags ab 20.30 Uhr Konzertnacht im benachbarten Club. Stets sorgen rund 100 Fans für Stimmung - wenn sie auch in die Jahre gekommen sind. "Uns fehlt der Nachwuchs", gibt Ingrid Schwenkkros zu, deren Team deshalb längst einen besonderen Service bietet: "Alle jungen Leute, so bis 25 Jahre, haben freien Eintritt."