Geschichtskontor: Traditionen auf dem Friedhof

Wenn ein Schriftsteller, ein Astronom, ein Intendant und ein HSV-Präsident zusammentreffen, mutet diese Mischung höchst eigen an. Durchaus friedlich aber finden diese berühmten Männer nach ihrem Ableben zusammen - auf dem Bergedorfer Friedhof. Zahlreiche Persönlichkeiten hat Christian Römmer unter den gut 30 000 Grabstellen ausgemacht. Jetzt bietet der Geschäftsführer vom Kultur-& Geschichtskontor erstmalig eine Führung an: In gut zwei Stunden erklärt der Historiker verschiedene Bestattungstraditionen, Grabkulturen und die Geschichte der Bergedorfer Friedhöfe.

Im Jahr 1830 wurde der kleine Friedhof um St. Petri und Pauli aufgegeben, "weil man durch die Bille nicht so tief buddeln konnte. Die Särge lagen etwas unappetitlich nur 30 Zentimeter unter der Grasnarbe", erklärt Römmer die Umorientierung an den östlichen Gojenbergsweg: "Er lag etwas erhöht außerhalb der Stadt. Und zwar in einer Windrichtung, bei der man weder Gerüche noch Keime befürchtete." Doch schon bald reichte auch hier der Platz nicht, wurden dem Bergedorfer Zimmermann Lohse 1906/07 knapp zehn Hektar Land abgekauft - als Grundlage für den heute etwa 70 Hektar großen Friedhof, den der einstige Ohlsdorfer Friedhofsdirektor Wilhelm Cordes anlegte.

Neugierig spaziert Römmer zwischen großen Engeln an den Grabreihen entlang, entdeckt Bäcker-Brezeln, Blumen, den Äskulapstab oder auch einen Zirkel auf den Gedenksteinen. "Solche Steinmetz-Arbeiten nach 25 Jahren wegzuwerfen, wäre ein Skandal, schließlich wird hier auch Stadtgeschichte beschrieben", will der 40-Jährige sich dafür einsetzen, dass der gesamte Friedhof unter Denkmalschutz kommt - nicht nur die wenigen Grabmäler etwa von Fabrikant Messtorff oder Bürgermeister Lange.

Ebenso lässt sich beim Rundgang der Lebenslauf von Ferdinand Pfohl nachzeichnen, der berühmte Musikschriftsteller starb 1949 in Bergedorf. Friedrich Schütter, Mitbegründer des Ernst-Deutsch-Theaters, starb 1995. Wenig entfernt wurde fünf Jahre später Baronin Marie-Charlotte von der Osten-Sacken beerdigt, in Nachbarschaft zum Bergedorfer Gerichtsschreiber Georg Martin Staunau (1855-1913), auf dessen Stein steht: "Auf der Heid ein Wolkenschatten, fährt dahin das Menschenleben".

Wohlbekannt ist auch der Leder-Kunsthandwerker Georg Hulbe, der mit der Leder-Ausstattung des Hamburger Rathauses betraut war, auch das Goldene Buch der Stadt anfertigte. Hulbe starb 1917 mit 66 Jahren, seine "Villa Weinheim" am Pfingstberg wurde abgerissen. Die Geschichte bekannter Kaufleute endet längst nicht bei Kurt A. Körber, auch Namen wie Sievert, Schellhorn, Schleede, Glunz und von Have sind den Bergedorfern geläufig.

Wie Bergedorf den Soldaten gedenkt, die in einem hiesigen Lazarett starben und warum Russen bloß in ein Leichentuch eingewickelt wurden, erklärt Christian Römmer ebenso wie die moderne Sitte, dass sich mehr als 60 Leute eine Urnenstätte teilen, "sozusagen als Untermieter eines Bestatters, der die Pflege übernimmt".

Der historische Rundgang beginnt um Sonnabend, 17. August, um 14 Uhr an der August-Bebel-Straße, bei Kapelle I. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, Teilnehmer bezahlen acht Euro.