HAC Boberg: “bz“-Volontärin Lena Diekmann steigt mit Segelflieger Hartwig Grothkopp in den Himmel über Bergedorf

Das dünne Kunststoffseil fängt langsam an zu wackeln. Dann erhebt es sich vom Boden, wird durch eine Seilwinde in 1000 Meter Entfernung in hohem Tempo aufgewickelt. Das Seil strafft sich, die Winde dreht sich weiter und der strahlend weiße Flieger rollt über die Wiese. Er wird schneller und schneller und plötzlich neigt sich die Nase fast senkrecht in die Luft. Im steilen 70-Grad-Winkel wird der Flieger in die Höhe gezogen - und mich drückt es so fest in den hinteren Sitz, dass mir für einen kurzen Moment fast die Luft wegbleibt.

"Wenn man in der Luft ist, ist das eine komplett andere Welt", sagt Hartwig Grothkopp. Der Vorsitzende vom Hamburger Aeroclub Boberg hält dem Hobby schon seit 34 Jahren die Treue. Hochkonzentriert bei der Fliegerei, bleiben alle Sorgen und Gedanken auf der Erde. "Das ist für mich die pure Entspannung", sagt er und nimmt mich heute im Doppelsitzer mit in seine Welt fernab des Lärms am Boden.

Schon nach wenigen Sekunden ist der steile Aufstieg geschafft. Als in 550 Meter Höhe das Schleppseil vom Flieger ausgehakt wird, gibt es einen kurzen Knall. Es ruckelt und wackelt und plötzlich wird alles still. Nur der leichte Windzug pfeift um den Flieger. Eine erhabene Stille macht sich breit. Sachte segeln wir über die abwechslungsreiche Landschaft. Weitläufige Sanddünen, Boberger Neubausiedlungen sind zu sehen. Bis zum Hamburger Fernsehturm oder Geesthacht reicht der Blick.

Direkt unter uns liegt der Boberger Segelflugplatz. Doch das satte Grün der Wiese ist kaum noch zu erkennen: Ganz in Weiß erstrahlt der Platz an diesem Morgen. Nach dem verregneten Frühjahr haben die Segelflieger großen Nachholbedarf. Insgesamt 280 Mitglieder gehören dem HAC an, davon sind rund 180 aktiv. Viele haben schon ihre hellen Fluggeräte aus den Hallen geschoben und können es kaum erwarten, in die Lüfte gezogen zu werden.

Einige Schönwetterwölkchen zieren den strahlend blauen Himmel. Ganz zur Freude der Segelflieger. Denn diese Kumulus-Wölkchen sind ein Zeichen für Thermik. Sie entsteht, wenn die Sonne die Erdoberfläche erwärmt und diese Luft aufsteigt. Den Aufwind brauchen Segelflieger, um sich in die Höhe zu schrauben.

"Es ist die Herausforderung, die Kräfte der Natur auszunutzen", sagt Grothkopp: Bekomme ich genug Thermik? Wie lange kann ich noch sicher gleiten oder leite ich lieber die Landung ein? "Man muss permanent Entscheidungen treffen. Das ist das Spannende am Segelfliegen", sagt er. Verantwortung sei wichtig. "Draufgängertum und unüberlegtes Handeln sind Eigenschaften, die man als Segelflieger lieber nicht haben sollte", so Grothkopp.

Das Variometer beginnt zu piepen: Wir haben Thermik und steigen auf. Doch Hartwig Grothkopp braucht dafür das Messinstrument eigentlich nicht. "Wenn Thermik kommt, dann drückt es leicht von unten. Das merkt man schon", sagt er. Er tritt auf das rechte Pedal, drückt den Steuerknüppel in die gleiche Richtung. Der Flieger liegt schräg in der Kurve, er kreist und kreist, schraubt sich in die Höhe.

In Boberg ist die Höhe der Flieger allerdings beeinflusst vom Flughafen in Fuhlsbüttel. Da sich der Flugplatz am Rande des kontrollierten Luftraums befindet, dürfen die Segler ohne Freigabe der Flugsicherung nur maximal 750 Meter hoch steigen. Mit Zustimmung der Flugsicherung sind maximal 1200 Meter Flughöhe in Boberg möglich. Erst weiter im Osten ist der Luftraum wieder frei. Und manchmal, wenn die großen Passagier- und Frachtmaschinen über Bergedorf fliegen, wird die Flughöhe für die Segler sogar auf 420 Meter herabgesetzt. "Unser Standort ist Fluch und Segen", sagt Grothkopp. Die Beeinflussung durch Fuhlsbüttel sei ein Nachteil, die Nähe zur Großstadt und die gute Erreichbarkeit wiederum sehr positiv.

Nachdem die erste Aufregung gewichen ist, zahlreiche Panoramafotos der Landschaft geschossen sind und wir wohl schon den zehnten engen Kreis geflogen sind, wird es mir dann doch ein bisschen flau im Magen. Hartwig Grothkopp hat vor dem Start extra weiße Spucktüten in die Seitentasche des Fliegers gesteckt. Doch das Missgeschick versuche ich zu vermeiden und richte den Blick in die Ferne, entdecke die wuchtigen Bauten der Korachstraße mit den markanten spitzen Dächern und idyllische Höfe in Billwerder.

Als wir nach gut 20 Minuten zur Landung ansetzen, bin ich froh, bald wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Und auch als ich die Haube öffne, den festen Schultergurt löse, den Fallschirm abstreife, aus der engen Sitzkabine klettere und den obligatorischen Sonnenhut vom Kopf streife, bin ich noch etwas wackelig auf den Beinen. Das flaue Gefühl im Magen will nicht so leicht vergehen. "Das liegt daran, wenn man nur mitfliegt. Wenn man selber das Steuer in der Hand hat, vergeht das schnell", sagt Grothkopp. Bis die Maschine allein gesteuert werden darf, sind aber etwa 50 Starts mit einem Fluglehrer notwendig.

Nach der Landung wird zuerst ein Kuller ans Heck des Fliegers montiert. Da die Segelflugzeuge am Boden nur schwer zu manövrieren sind, wird dieses drehbare Rad angesetzt. Und dann heißt es mit vereinter Kraft die Maschine zurückschieben. Das macht einen Teil des Hobbys aus: Vereinskameraden beim Rangieren der Flieger zu helfen oder Arbeitsstunden an Fliegern oder am Platz zu leisten.

Informationen über Schnupperkurse gibt Göran Horn unter Mobiltelefon 0173 201 80 20. Infos zur Vereinsmitgliedschaft gibt es bei Ramona Bahmann unter Telefon (040) 738 88 04. Weitere Informationen zum Verein im Internet unter www.hac-boberg.de .